"Die Lage ist ernst." Klingt irgendwie vertraut. Seit Beginn der Finanzkrise 2008 hört man im Grunde nichts anderes mehr. Und wegen des vielleicht fast schon inflationären Gebrauchs von erschreckenden Superlativen erschreckt man sich am Ende nicht mehr...
Dann mal anders: "Jetzt ist die Lage WIRKLICH ernst". Jetzt wackelt die Eurozone WIRKLICH. Und, in der Tat: Die nächsten Tage können über die Zukunft Europas entscheiden.
Seit die Schuldenkrise mit Spanien ein großes Euroland voll erfasst hat, und auch schon Italien in die Gefahrenzone abgleitet, hat das Ganze eine neue Dimension bekommen. Gerade erst hat mit Moody's eine zweite Ratingagentur die Kreditwürdigkeit Spaniens - und auch von Zypern - gleich um drei Noten heruntergestuft.
100 Milliarden Euro in die spanischen Banken gepumpt
Im EU-Parlament brachte es Ex-Premier Guy Verhofstadt, Fraktionschef der Liberalen, auf den Punkt: Wir müssen der Realität ins Auge sehen, sagte Verhofstadt: Es wurden am Wochenende "mal eben" 100 Milliarden Euro in die spanischen Banken gepumpt.
Das sei das Resultat des desaströsen Krisenmanagements der EU-Staats- und Regierungschefs, ist sich das Parlament weitgehend einig. Wann sehen wir endlich ein, dass es nur einen Weg aus der Krise gibt, nämlich "mehr Europa", eine wirklich gemeinsame Politik der EU-Staaten, sagte Joseph Daul, Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei. Wie lange soll es denn noch so weiter gehen, dass die EU von einem Krisengipfel zum nächsten stolpert, und sich damit in der Praxis zum Sklaven der Finanzmärkte macht?
Schluss mit dem Zaudern, Schluss mit halbherzigen Löschversuchen, polterte auch Hannes Swoboda, Fraktionschef der Sozialisten im EU-Parlament. Frau Merkel, lassen Sie uns bitte den Motor anwerfen, bettelt die Crew auf einem Schiff, das eigentlich schon gesunken ist.
Ernst der Lage nicht vollends erfasst
Doch in der Tat, räumt auch Kommissionspräsident José-Manuel Barroso ein: Auch er könne nur feststellen, dass gewisse Länder offensichtlich immer noch nicht den Ernst der Lage vollends erfasst hätten. Es gebe eine soziale Notsituation: In immer mehr Ländern seien immer mehr Menschen von Armut bedroht. Und er könne nur an alle Mitgliedstaaten appellieren, diese Entwicklung doch bitte vor Augen zu haben:
Und da ist auch noch das Griechenland-Problem, mit dem alles angefangen hatte. Am Sonntag wird in Griechenland gewählt. Dabei entscheidet sich zumindest indirekt die Zukunft des Landes. Wenn es eine Mehrheit für Parteien gibt, die das Rettungsprogramm neu aufdröseln, die die drakonischen Sparmaßnahmen infrage stellen, dann könnten die Tage Griechenlands in der Eurozone gezählt sein. Kommissionspräsident Barroso und auch der Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy haben wiederholt klargemacht, dass an den Auflagen nicht zu rütteln ist.
Als wäre das noch nicht genug, geistern inzwischen schon wieder neue Hiobsbotschaften durch die Presse: Griechenland brauche ein neues, ein drittes Hilfsprogramm, heißt es da...
Zu viele Hunde sind bekanntlich des Hasen Tod: Inzwischen brennt es an allen Ecken und Kanten. Der Zusammenbruch der Eurozone, das ist längst mehr als nur eine virtuelle Schreckensvision, eine theoretische Eventualität; die Gefahr ist real. Das Haus Europa bröckelt.
Da bekommt eine kürzliche Entscheidung der Innenminister der EU-Staaten noch zusätzliche, allerdings negative Symbolkraft: Die EU-Staaten haben in der vergangenen Woche einseitig, ohne Rücksprache mit Kommission oder Parlament, das Schengen-Abkommen gelockert. Schengen, was gäbe es symbolischeres für den Europäischen Integrationsprozess... Reisefreiheit, offene Grenzen, keine Schlagbäume mehr... Die EU-Staaten stimmten jetzt einer Reform dieses Schengenabkommens zu. Demnach kann ein Staat gegebenenfalls, wenn er es für nötig hält, wieder Grenzkontrollen einführen - allerdings zeitlich befristet. Dramatisch, katastrophal, unerhört, war sich das EU-Parlament einig.
Archivbild: Georges Gobet (afp)
"Das Haus Europa bröckelt"!
So ist das eben mit Häusern, die ohne ein gutes Fundamemt gebaut werden, an denen drei Dutzend "Berufene" herumwerkeln und sich schadlos halten, wo das Dach schon gebaut war, als gerade mal eine Mauer stand und die zukünftigen Bewohner, ausser Bezahlen, nichts weiter zu melden haben. Man sollte Zement anstatt Hurraparolen zwischen die Steine geben, Betondecken anstatt Flickwerk einziehen, die Wände lieber richtig verputzen sowie gut isolieren als "es- ist- ja- alles- alternativlos"- Plakate daran aufhängen und das Richtfest vielleicht erst dann feiern, wenn die Bude steht.
Aber soweit denken die zweifelhaften Architekten in ihrer von- Gottes- Gnaden- Mentalität und ihrem widerlichen Sendungsbewustsein ja nicht. Und mit anderer Leute Geld kann man ja ungeniert prassen.
Das Haus Europa abröckelt? Macht nichts, der wirkliche, solide europäische Geist wird das überleben. Frei nach Hermann Hesse: "Herz, nimm Abschied und gesunde!"