Stattdessen habe Namur damit überrascht, die Regionalstraßen in die Verhandlungsmasse einzubringen.
Das Parlament setzte daraufhin umgehend eine Debatte an, in der es die Eupener Forderungen ebenso wie sein Bekenntnis zum Wunsch nach einem "Belgien zu viert" bekräftigte.
Der bestehenden bilateralen Verhandlungsformel zwischen Namur und Eupen drohe eine Sackgasse. Sie unterliege einem Stresstest, so die Lagebeschreibung nach den Worten des Ministerpräsidenten.
Die Formel, Übertragungen von Befugnissen bilateral zu regeln, hatte Karl-Heinz Lambertz einst zum Königsweg erklärt, um die Eupener Belange aus dem Gezerre um Brüssel und seinen Rand herauszuhalten. Und diese Formel hat ja auch Früchte getragen wie die Beschäftigungspolitik oder die Gemeindeaufsicht in wichtigen Bereichen.
Im Interview nach der Plenarsitzung betonte der Ministerpräsident, dass ein Fortschritt bei den aktuell festgefahrenen Verhandlungen vorzugsweise im aktuell bestehenden bilateralen Rahmen zu erkämpfen sei. Im PDG warnte Lambertz davor, sich auf eine Diskussions- und Verhandlungsebene "Vierte Region" führen zu lassen.
Er reagierte damit auf die Einlassung der Regionalabgeordneten Monika Neumann, die erstaunlich freimütig bekannte, dass die Minister ihrer Partei von den Eupener Vorstellungen nicht überzeugt seien, nicht ohne dabei zu betonen, die grünen Minister seien nicht die einzigen innerhalb der wallonischen Regierung, die so dächten. Wohl sei Wohnungsbauminister Nollet der Idee einer Vierten Region gegenüber aufgeschlossen. Lambertz erkannte die Gefahr, dass damit die Eupener Wünsche sehr spät, wenn überhaupt, auf die Tagesordnung gesamtbelgischer Tagespolitik kommen würden.
Damokles-Schwert noch stets vorhanden
Da wird sich so mancher fragen, ob denn die laute und plakative Forderung nach einem Belgien zu Viert die Verhandlungen nicht erschwere. Um so mehr, da sie auf frankophoner Seite Verkrampfungen geradezu auslösen muss, angesichts des Damoklesschwertes, das noch stets über dem Königreich schwebt, auch nach dem Gesetz über die Spaltung von BHV. Denn die N-VA konzentriert massiv ihre Öffentlichkeitsarbeit auf die Botschaft, BHV sei nicht "gesplitst", also gespalten, sondern verdoppelt worden.
Einlassungen von frankophoner Seite wie in dieser Woche von Innenministerin Milquet im morgendlichen RTBF-Studiogespräch "Matin Premiere" mögen wahlkampftaktisch verständlich sein, gesamtbelgisch sind sie unklug und spielen der N-VA zudem in die Hände. In der verschiedenen Lesart von Mehrheitsparteien und flämischen Radikalnationalisten liegt durchaus neuer Sprengstoff.
Konfliktstoff neuer Art
Die einflussreiche frankophone Zeitung "Le Soir" erkannte derweil neuen zwischengemeinschaftlichen Konfliktstoff: Nach BHV drohe jetzt ein zwischengemeinschaftlicher Konflikt "neuer Art" zwischen Namur und Eupen, lautete die unübersehbare Schlagzeile. Und darin mag auch eine Antwort auf die Frage liegen, warum das "Belgien zu Viert" als Eupener Credo urbi et orbi verkündet wird: Es dürfte auch um Sichtbarkeit gehen und um Positionsbestimmung, nicht unwichtig im großen Pokerspiel, das "Belgien" heißt.
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