"Möchtest du mich lieben, musst du nur den Verstand verlieren", heißt es im Refrain zum Album-Opener "Wahnsinn mich zu lieben". Wahn, das ist Einbildung, die zu Besessenheit führt. Klingt krank, ist es auch, aber Tristan Brusch führt mit seinen neuen Liedern vor, warum Wahn trotzdem dazu verlockt, dem Leben eine schönere Perspektive zu geben als die Realität es vermag.
Doch "Am Wahn" ist nicht nur ein Album voller wahnwitziger und wahntrauriger Texte, die eine toxische Beziehung vor allem als eine Beziehung zu sich selbst entlarvt. Es ist musikalisch ein Glücksfall von höchstem nostalgischen Sentiment. Zwischen süßlichem Sixties-Pop französischer Schule ("Kein Problem") und ruppigem Kaschemmen-Folk ("Oh, Lord") gelingt Tristan Brusch ein in schönster Weise rückwärtsgewandtes Chanson-Album, das hoffentlich Schule macht. Nach Voodoo Jürgens’ "Wie die Nocht noch jung wor" der nächste große Wurf neuer deutschsprachiger Liederkunst, die dem oberflächlichen Deutschpop einen Ausweg weist.
Außerdem: Neuheiten von Fredda, Monta, Amelie Tobien, George Leitenberger, André Herzberg, Parker Millsap, Rufus Wainwright, Lael Neale und Ben Harper.
Markus Will