Sie hatte es leicht mit der Musik, die Enkelin eines texanischen Bluegrass-Musikers und Tochter einer Gitarristin und Fiddlerin. Spielerisch hat sich das Mädchen aus Atlanta auf Open-Mic-Bühnen und in Rap-Gruppen an ihrer Schule ausprobiert und es war ihr Vater, der ihr riet, zu Hause doch Aufnahmen von ihren Songs zu machen, sodass Gäste ihre Musik mitnehmen könnten. Sie nahm den Rat an: "Run & Tell" hieß ihre erste Aufnahme, die sie in ihrem Zimmer fabriziert hat. Seitdem hat sich viel getan, in kurzer Zeit hat sie einen Vertrag beim It-Label Secretly Canadian bekommen und ist zur Sympathieträgerin von Presse und Musikfans auf der ganzen Welt geworden. Auf der Social-Media-Plattform TikTok läuft sie rauf und runter, obwohl sie dort nicht mal einen Account besitzt. Faye Webster strahlt jene unwiderstehliche Coolness aus, die Jugendliche jeder Generation anzieht und Erwachsene fasziniert: unangestrengt, ungekünstelt, unbedacht. Sie ist schön, ohne Beauty-Queen zu spielen, sie trägt unauffällige Kleidung, ohne langweilig auszusehen, sie strahlt Lässigkeit aus, ohne Desinteresse heraushängen zu lassen.
Und so ist ihre Musik: Modisch, aber in Maßen - sie ist ein wenig Folk, ein wenig Softrock, ein wenig R&B - und über allem schwebt ihre weiche Stimme, die gleichermaßen teilnahmslos wie anteilnehmend ist. Faye Webster beherrscht die Gleichzeitigkeit von Gegensätzen in einer Weise, in der sie sich in einer milden, aber verblüffenden Neutralität ausbalancieren. In einer Welt, die sich zunehmend in Lagerkämpfen verschanzt, verströmt ihre Musik eine wohltuende Versöhnlichkeit. Dabei - und das ist der hauptsächliche Grund für ihre Attraktivität - ist ihr jede Moralisierung wesensfremd, jedes Dünken und Waten in Achtsamkeitsbanalitäten, Selfcare-Geschwurbel, Mental-Coaching-Manie oder zweiflerischer Selbstzernagung ist ihr fern wie Techno-Beats einem Sinfonieorchester.
Wichtig ist ihr die Feinarbeit an ihrer Musik und das Experimentieren mit Sounds, die perfekt harmonieren, obwohl sie beim ersten Gedanken gar nicht zusammenzupassen. Alle Songs auf "Undressed At The Symphony" sind Live-Aufnahmen, die meist beim ersten oder zweiten Take aufgenommen wurden. Sie zeigen Websters Talent, aus sehr spezifischen Momenten universelle Erfahrungen zu machen. Wie der Besuch eines Sinfoniekonzerts, zu dem sie sich in letzter Sekunde entschließt und sich daher nicht mehr standesgemäß fürs Kulturschaulaufen einkleidet ("underdressed"): Faye Webster liebt es, sich unter Menschen zu mischen, mit denen sie kein Zusammengehörigkeitsgefühl hat. Da schafft sie sie wieder, die Gleichzeitigkeit von Gegensätzen: abgelenkt sein von Menschen, um ganz für sich selbst sein zu können. Faye Webster lässt die Welt um sie herum sein - und sie lässt sich selbst sein. Einfach sein. Sie ist eine Göttin der Leichtigkeit.
"Underdressed At The Symphony"ist am 1. März erschienen auf Secretly Canadian.
Weitere Alben in der Sendung
- Natascha Rogers: Onaida (No Format!)
- Gudrun Walther & Andy Cutting: Conversations (Walther & Treyz Records)
- Robbie Robertson: Killers of the Flower Moon (OST) (Masterworks)
Außerdem: Zum 80. Geburtstag von Townes Van Zandt
Thinking About You
(F.ConellWebster)
Faye Webster
Secretly Canadian
Wanna Quit All the Time
(F.ConellWebster)
Faye Webster
Secretly Canadian
Ebay Purchase History
(F.ConellWebster)
Faye Webster
Secretly Canadian
Fluchtauto
(A.Hoffmann)
Antonio Hoffmann
Unserallereins
The Wound
(N.Rogers)
Natascha Rogers
Nø Førmat!
Aniafa
(N.Rogers)
Natascha Rogers
Nø Førmat!
For The Sake of The Song
(T.VanZandt)
Townes Van Zandt
Domino Recording
Marie
(T.VanZandt)
Townes Van Zandt
TVZ Records
Nach grüner Farb’ mein Herz verlangt / Winter Song
(Traditional)
Gudrun Walther & Andy Cutting
Walther & Treyz Records
Shame on Us
(R.Robertson)
Robbie Robertson
Masterworks
Grains
(F.Seyberth / P.Heider)
Boozoo Bajou
Pilotton
Markus Will