Nach seinem groß angelegten Art-Rock-Folktronica-Album "Fever Dreams" von 2021 hat Conor O’Brien den Druck rausgenommen. "That Golden Time" klingt nostalgisch, nach Wärme einer vordigitalen Zeit, als das Leben noch wahrhaftig und natürlich war. Besonders das Titelstück dreht sich um ein wiederkehrendes Villagers-Thema: Romantik versus Realismus. Wie kann man hohe Ansprüche an sich selbst und die Welt um sich herum haben, wenn die Realität kalt und abweisend wirkt? "Diese Reibung hat mich interessiert", sagt O’Brien, "ebenso wie das anhaltende Gefühl, dass es eine Zeit gab, in der die Dinge besser waren - aber vielleicht hat diese Zeit nie existiert." Oft glauben wir uns zu erinnern, dabei sind wir einer alten Sehnsucht auf den Leim gegangen.
Conor O’Brien schont sich nicht, wenn es um den zweiten Blick auf die Dinge geht. Er ist ein vielbelesener Gelehrter, der seine Fragen und Zweifel in musikalische Poesie verwandelt. Wenn er wie im Song "You Lucky One" auf jemanden blickt, der einem anderen Reichtum verspricht, sich aber als Schmarotzer entpuppt, erzählt er keine Ballade von Gut und Böse, sondern verstört mit der Frage: Wer nutzt da eigentlich wen aus? Und weht das Dilemma mit einer schmeichelnden Country-Folk-Brise in die Welt. Bei Villagers wird das Chaos zu einer Atmosphäre, in der man angenehm atmen kann - trotz allem.
Das neue Album ist weniger aufgeladen als der opulente Vorgänger und doch hat es seine klanglandschaftlichen Großmomente. Sie sind nur anders entstanden. "Für mich hat "That Golden Time" eine verinnerlichte Stimme, so sehr, dass ich es fast unmöglich fand, jemand anderen hineinzulassen, bis hin zu dem Punkt, dass ich es selbst abgemischt habe", sagt der Tausendsassa Conor O’Brien, der diesmal noch mehr selbst gemacht hat, als er es ohnehin schon immer tut. "Es ist wahrscheinlich das verletzlichste Album, das ich gemacht habe. Ich habe alles in meiner Wohnung eingespielt und aufgenommen und schließlich, gegen Ende, die Leute hereingebeten. Denn ich habe immer von Ausschmückungen und Arrangements geträumt, sodass ich niemals ein völlig karges Soloalbum hätte machen können."
Villagers bietet keine Texte, an die Hörer direkt anknüpfen können, sie wirken wie kleine Wirbel von assoziativen Gedanken. Und doch beherrscht er die Kunst, zauberhaft einladend zu klingen, getreu dem englischen Dichter A. E. Housman: Bedeutung ist für den Intellekt, Poesie nicht. Conor O’Brien fasst es so zusammen: "Diese Lieder sind kleine Stücke, in denen geweint, gelacht oder geträumt wird. Sie sind nicht dazu da, um zu belehren oder einen Standpunkt zu vertreten. Aber irgendetwas zwingt mich, sie zu teilen."
"That Golden Time" von Villagers ist am 10. Mai bei Domino Recording erschienen.
Weitere neue Alben in der Sendung
- Angus & Julia Stone: Cape Forestier (Vertigo)
- Novo Amor: Collapse List (AllPoints)
- Wiebke & Hardy: Vun Harten (Grosse Freiheit)
- Ihsan Al-Munzer and his Oriental Group: Orientalissimo Vol. 2 (BBE)
Außerdem: Alex Izenberg, Chris Cohen, Ingo Barz
Markus Will