Es liegt etwas genuin Musikalisches in den Menschen aus Schottland: Sobald sie singen, Melodien finden und sich an Instrumenten begleiten, zieht ein Wohlklang aus Klarheit, Frische und Trost auf. So haben wir Künstler und Bands wie die Proclaimers, Annie Lennox, Texas, Edwyn Collins, Belle & Sebastian oder Travis lieben gelernt. Und man fragt sich plötzlich: Wie konnte einer wie Roddy McKinnon jahrzehntelang nahezu unbemerkt bleiben? Sanft perlendes Gitarrenspiel, luftige Akkorde und eine charaktervolle Intonation zwischen verträumtem Summen und wachem Zuspruch, der sich wie ein Arm um die Schulter legt – unsere Sehnsucht nach Besänftigung müsste ihm viele Anhänger bescheren.
Roddy McKinnons Band wird in den 1980er Jahren vom Manager von Genesis und Phil Collins betreut, doch mehr als eine kleine Tournee um die Welt springt nicht heraus. McKinnon schließt sich der keltischen Rockband The Journeymen an, zieht später nach Frankreich an den Genfer See und die Musik tritt in den Hintergrund. 2013 lernt er den deutschen Singer-Songwriter George Leitenberger kennen, begleitet ihn auf Alben und Touren, 2017 nimmt er seine eigene Solokarriere in Angriff - 2020 erscheint, still und unbemerkt in die Corona-Pandemie hinein - sein Debütalbum. Da weiß Roddy McKinnon bereits, er muss sich einer Krebstherapie unterziehen.
Zwischen Bestrahlungsterminen und chronischer Erschöpfung entsteht zwischen Januar 2021 und Oktober 2022 sein zweites Album - eigentlich nur als Selbsttherapie gedacht, doch jetzt ist es erschienen und erweist sich als beglückendes, erleichterndes Meditativum aus Folk und Singer-Songwriter-Glanz: "Time’s a Dog", elf Songs, um mit den eigenen Gefühlen umzugehen, die McKinnon allein mit seiner Gitarre begleitet. Lieder über das Leben, den Tod, die Liebe, Sex und Sünden - "eine Geschichte von Entgrenzung, Erholung und Akzeptanz", wie er sie beschreibt. "Nach der Reise durch dieses Album bin ich optimistischer geworden, deswegen lächle ich auf dem Cover auch. Ich werde mir meine Zuversicht nicht nehmen lassen, auch wenn der schwarze Hund mich immer noch verfolgt. Ich werde schneller rennen!"
"Time’s a Dog" ist am 7. Juni auf Silberblick Musik erschienen.
Weitere Alben
- Eels: Eels Time! (E-Works/PIAS)
- Shaboozey: Where I’ve Been Isn’t Where I’m Going (American Dogwood)
- + Neuheiten von Fai Baba & Amour sur Mars, Marika Hackman, The Decemberists, Diane Birch, Jan Salander
+ 20. Todestag von Ray Charles
Markus Will