Sister Ray ist der Bühnenname von Ella Coyes, einer 25-jährigen Künstlerin, die der indigenen Volksgruppe der Métis angehört, Nachfahren gemischter Familien von Native Americans und europäischen Einwanderern aus dem 17. Jahrhundert. In ihrem Werk geht sie in einen Spagat zwischen hart erkämpfter Verletzlichkeit und scharfsinnigem Geschichtenerzählen. Verwurzelt im Alternative Folk und in der Musik ihrer Heimat Alberta macht Sister Ray Musik, die im Dazwischen lebt: zwischen Trauer und Gnade, Zynismus und Sehnsucht und zwischen dem Wunsch zu glauben und der Unfähigkeit, dies konsequent zu tun.
"Believer", ihr zweites Album, ist ein Zeugnis dieses Grenzbereichs. Wo "Communion" (2022) seine Offenbarungen noch flüsterte, stößt "Believer" sie in selbstbewusstem Atem aus. Coyes löst sich von streng kontrollierten Arrangements und setzt stattdessen auf Spontaneität - ein Song pro Tag war ihre selbstgesetzte Arbeitsvorgabe, mit nur minimalen Überarbeitungen - aufgenommen in Brooklyn mit Produzent Jon Nellen und renommierten Musikern wie Marc Ribot und Paul Spring. Das Ergebnis ist eine Platte, die ihre Nähte zeigt - dort wo der Glanz einem unruhigen Puls weicht.
Diese neue Songsammlung reicht von glühendem Folk-Rock bis hin zu rauchigen, synth-glasierten Reflexionen. "Magic" punktet mit triumphalen Bläsern, "Animal Thing" gleitet mit Groove und Stolz, "Wings" vereint den Drang zu entfliehen mit dem Trost, geerdet zu bleiben. Auch die Ballade „"Unfolding" und der eindringliche Schlusssong "Diamonds" schimmern vor emotionaler Dualität.
Klanglich schwebt und stürzt "Believer" zugleich. Es setzt auf Wiederholung und Kontrast - Licht vs. Schlamm, Stille vs. Crescendo. Doch mehr noch markiert es einen Wandel: Sister Ray betritt eine umfassendere Vision, in der Klarheit nicht Gewissheit bedeutet und Lieder Landkarten durch trübes emotionales Terrain sind. Diese Musik gibt nicht vor, Antworten zu haben, sondern stellt immer wieder die richtigen Fragen.
"Believer" von Sister Ray ist am 4. April auf Royal Mountain Records erschienen.
Außerdem
- Cameron Knowler, brillanter Archivar und Fortentwickler der westamerikanischen Folk-Gitarrenmusik ("CRK', Worried Songs)
- Der Folk-Minimalismus des Will Johnson - eindringliche Heimaufnahmen aus der Zeit vor seinem Eintritt in Jason Isbells 400 Unit ("Diamond City", Keeled Scales)
- Debüt des 24-jährigen Londoner Supertalents Maya Delilah ("The Long Way Round", Blue Note)
- Nach 14 Jahren zurück im weiten Feld amerikanischer Roots: Alison Krauss & Union Station ("Arcadia", Down The Road Records)
- Ein Hauch von Zauber aus den Catskill Mountains: Florist ("Jellywish", Double Double Whammy)
- Annie Stokes schüttelt Gender-Klischees im Country auf ("Ghostwriter", Annie Stokes)
- Die rohen Selbstentblößungen der australischen Liedermacherin Sarah Mary Chadwick ("Take Me Out To a Bar / What Am I, Gatsby?", Ba Da Bing! Records)
Markus Will