"With Trampled by Turtles" ist Soloalbum und Gemeinschaftswerk zugleich. Und sehr bewegend. Es handelt von Verlust, Freundschaft, Zusammenhalt und dem Weiterleben mit Musik. "When you flew out the window and into the sunset / I thought I would never stop screaming" - Zeilen wie diese atmen Trauer, Liebe, erloschene Nähe, aber auch eine Kraft, die sich kollektiv am stärksten entfalten kann. "With Trampled by Turtles" ist das erste Soloalbum des Low-Frontmanns Alan Sparhawk seit dem Tod seiner Frau und Bandpartnerin Mimi Parker. Entstanden ist es gemeinsam mit langjährigen Freunden aus seiner Heimatstadt Duluth im US-Bundesstaat Minnesota, unter ihnen das Bluegrass- und Indie-Folk-Quintett Trampled by Turtles, das sich 2003 gegründet hat, sowie Produzent Nat Harvie und Tochter Hollis Sparhawk. Aufgenommen wurde das Album an nur einem Tag in den Pachyderm Studios von Cannon Falls, dadurch wirkt es wie ein spontanes Zusammenkommen, wie ein Lagerfeuer aus Stimmen, Streichern und Erinnerungen. Statt Trauerarbeit mit geschlossenen Augen ist es eine Form kollektiver Fürsorge: mit Mandoline, Cello, Banjo, chorischen Refrains, aus dem Moment heraus geboren - ein Album wie eine Umarmung.
Alan Sparhawk bleibt ein Suchender: Als Mitgründer von Low hat er Slowcore geprägt, mit Bands wie den Black-Eyed Snakes die rohe Energie von Blues und Punk ausgelotet, mit Derecho Funk gespielt - und zuletzt solo viel mit Elektronik und Autotune experimentiert. "With Trampled by Turtles" dagegen klingt reduziert, akustisch, klassisch. Es lebt vom Gemeinsamen und davon, wie viel Trost sich im Teilen der eigenen Stimme finden lässt. Es ist ein Album, das aus Schmerz gemacht ist, ihn aber nicht betont, sondern einlädt, zusammen weiterzugehen. Oder wie Sparhawk es mit einem Satz formuliert: "Das gemeinsame Singen ist Liebe.
"With Trampled By Turtles" von Alan Sparhawk ist am 30. Mai erschienen auf Sub Pop.
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Markus Will