Wer Manfred Maurenbrecher vor allem als politischen Liedermacher kennt, wird spätestens bei "Vielleicht vielleichter" die andere Stärke seiner Liedkunst entdecken, die poetische. Der Berliner Musiker, Autor und Bühnenmensch schöpft aus fast fünf Jahrzehnten Erfahrung – aber er bleibt einer, der sucht, fragt und vortrefflich irritiert.
Auf seinem 24. Album (laut seiner Agentur; andere Quellen sehen es als das 28.) bringt er seine Stücke in genau jener Reihenfolge aufs Band, in der sie ihn gefunden haben. Eine Platte wie ein Notizbuch, das man im Gehen füllt: Da ist die Dresdner Carolabrücke, die zur Bruchstelle wird – baulich wie symbolisch. Da ist das titelgebende "Vielleicht vielleichter", das offen lässt, was kommt – und eben darin zur Lebenshaltung beiträgt. Und da sind Begegnungen, Orte, Tagesreste, in denen sich das große Ganze spiegelt.
Maurenbrecher braucht keine Genre-Gesten, keine Ideologie-Schablonen. Seine Musik entsteht am Flügel, in Textzeilen, die beiläufig daherkommen und doch so tief bohren, dass sie zum Manifest taugen. Dabei hat er als Textschreiber nie den schnellen Reiz gesucht, auch nicht für andere wie früher für Spliff, Herman van Veen oder Ulla Meinecke. Die bleibende Beobachtung ist sein eigentliches Metier. So auch dieses Album, mit einem genauen Blick für das Absurde und das Wesentliche.
Dass Maurenbrecher mit 75 Jahren nicht müde wird, sondern klarsichtiger denn je singt, macht "Vielleicht vielleichter" zu einem der stärksten deutschsprachigen Liedalben dieses Jahres. Kein Alterswerk – sondern ein Werk fürs Jetzt. Und das ist vielleicht vielleichter als gedacht.
"Vielleicht vielleichter" von Manfred Maurenbrecher ist am 6. Juni 2025 bei Reptiphon erschienen.
Außerdem in dieser Sendung
- Zum 95. Geburtstag von Barbara: Der dunkle Stern leuchtet weiter
- Vincent Delerm: Cineastisches Album in 14 Episoden ("La fresque", tôt Ou tard)
- Miriam Hanika & das Poesie Orchester: Full House für mehr Weiblichkeit ("*innenleben", Louise)
- Karwendel: Zwischen Sternenhimmel und Erdangst ("Ein neues Leben", Backseat)
- Samantha Crain: Betörend brüchige Songs vom inneren Wandel ("Gumshoe", Real Kind Records)
- Raúl Paz: Wiederanknüpfen ans kubanische Erbe ("Guajiro Chic", Coloma)
Markus Will