Man könnte meinen, Patty Griffin habe nichts mehr zu beweisen. Seit den 90er-Jahren gilt sie als eine der feinfühligsten Songwriterinnen Amerikas, ihre Lieder wurden von Emmylou Harris, Dixie Chicks oder Solomon Burke interpretiert. Doch ihr neues Album "Crown of Roses" klingt nicht wie das Werk einer Künstlerin im Spätwerk-Modus, sondern wie eine Sammlung präziser, poetischer Momentaufnahmen. Die elf Stücke sind zurückhaltend instrumentiert, doch nie statisch. Griffins Stimme, mal spröde, mal wie eine brüchige Predigt, trägt jedes Lied mit einer Intensität, die keinen Abstand duldet.
Im Zentrum steht der Song "Long Time", eine zerklüftete Miniatur zwischen Gebet und Klage. Es ist nicht das einzige Lied, das von spirituellen Motiven durchzogen ist. Griffin spricht von Trost und Zweifel, von Verwundung und Würde – und findet dafür eine musikalische Sprache, die Folk nur noch als Ausgangspunkt nutzt. Gitarre, Harmonium, Piano – alles scheint auf das Wesentliche reduziert. Aber nichts klingt karg. Eher so, als würde sich hinter jeder Zeile ein Raum auftun, in dem man verweilen möchte. "Crown of Roses" ist ein stilles, sehr persönliches Album. Aber es zieht Kreise. Und wirkt nach – nicht als Rückschau auf ein Lebenswerk, sondern als neuer Anfang.
"Crown of Roses" von Patty Griffin ist am 25. Juli 2025 auf PGM Recordings erschienen.
Außerdem in dieser Sendung:
- Yoshika Colwell: Feine Skizzen zwischen Jazz und Folk ("On The Wing", Blue Flowers)
- Folk Bitch Trio: Verbeulter Indie-Folk mit Witz, Widerhaken und trügerischer Harmonie ("Now Would Be A Good Time", Jagjaguwar)
- Cory Hanson: Opulente Orchesterfarben und schräger Folkpathos ("I Love People", Drag City)
- J Mahon: Bittersüßer Psychpop aus Australien ("Begin Again, Again", Unique Records)
- Lina_ & Jules Maxwell: Geisterhafte Fado-Klangräume voller Spannung ("Terra Mãe", Atlantic Curve)
- + Neuheiten von Jan Plewka und Karl die Große
Maaru Will