Chansons, Lieder und Folk: Haley Heynderickx und Max García Conover stellen Klassenfragen

Persönliche Erinnerungen und Geschichten aus der US-Arbeitswelt verbinden sich zu einem vibrierenden Folk-Duett mit Gesprächen über Herkunft, Ungleichheit und die Spuren politischer Biografien - inspiriert von Woody Guthrie.

Max García Conover und Haley Heynderickx
Max García Conover und Haley Heynderickx (Bild: Evan Benally Atwood)

Sie kommen aus sehr unterschiedlichen Ecken: Haley Heynderickx, geboren 1993 in Kalifornien, aufgewachsen in Portland, Oregon, verbindet virtuose Fingerpicking-Technik im Stil von Leo Kottke und John Fahey mit introspektiven Texten, humorvollen Momenten und kammermusikalischer Feinheit. Ihr Debüt "I Need to Start a Garden" verschaffte ihr 2018 viel Gehör an der Westküste.

Max García Conover stammt aus dem Westen New Yorks, brachte sich nach seinem Umzug nach Puerto Rico 2007 das Gitarrenspiel bei und spielte seine ersten Songs auf den Straßen von Old San Juan. Der heute in Portland, Maine ansässige Songwriter kombiniert detailliertes Fingerstyle-Gitarrenspiel mit einer rauen Stimme, die gerne an langen Küchentischen Geschichten erzählt und mit Spoken-Word-Ansflügen an den Anti-Folk von Jeffrey Lewis erinnert.

Dass die folkblumige Gitarristin und der rastlose Geschichtensammler nun gemeinsam schreiben, ist ein Glücksfall: Ihre Handschriften sind verschieden genug, um einander Reibung zu geben, und nah genug, um eine gemeinsame poetische Linie zu finden. Sie haben sich ein Jahr lang über Grenzen hinweg ausgetauscht und dabei eine gemeinsame Landkarte der Herkunft, Identität und Ungleichheit gefunden. Auf ihrem Album "What of Our Nature" ("Was ist mit unserer Natur?") verhandeln sie entlang an Woody Guthries Texten und Biografie ihre Fragen zu Kolonialismus, Generationenverwicklungen und zur Bedeutung, Teil von etwas Größerem zu sein. Ihre Poesie trifft auf eine radikale Verletzlichkeit und zugleich leuchten ihre Lieder vor Beharrungsvermögen.

Aufgenommen in einer Scheune in Vermont, direkt auf Band in nur fünf Tagen, zeigt das Album eine bewusste Reduktion auf das Wesentliche: Gitarre, Stimmen, ein paar zufällig gefundene Percussions. Kein Overdubbing, keine digitale Perfektion - stattdessen eine rohe Wärme, die Spontaneität atmet und Ehrlichkeit zelebriert. Diese Herangehensweise spiegelt die Arbeitsweise von Guthrie selbst wider: einfach, aber sofort vielschichtig, in Momentaufnahmen verwurzelt, die dennoch universelle Fragen öffnen.

Die Songstruktur auf "What of Our Nature" ist wie ein Gespräch mit sich selbst und mit der Geschichte: Mal schreibt García Conover über Aktivist:innen wie Alicia Rodríguez, mal antwortet Heynderickx mit Labor-Dichtkunst von Carlos Bulosan. Die Lieder wechseln zwischen sanften Balladen und klaren, punktierten Bildern und immer wieder spürt man die Spannung zwischen persönlichem Erinnern und politischer Reflexion - eine Musik, die leise genug ist für intime Räume, aber eindrucksvoll genug, um größere Themen anzustoßen.

"What of Our Nature" von Haley Heynderickx & Max García Conover ist erschienen am 21. November bei Fat Possum.

Außerdem in dieser Sendung

  • Sharp Pins: Miniaturen mit Funkenschlag ("Balloon Balloon Balloon", Perennial)
  • Jake Xerxes Fussell & James Elkington: Akustische Filmszenen in feinen Linien ("Rebuilding", Fat Possum)
  • Runo Plum: Intime Songs über Brüche und Übergänge ("Patching", Winspear)
  • Tony Molina: Ultrakurze Gitarrenpop-Skizzen ("On This Day", Olde Fade)
  • Whitney: Analoge Softrock-Wärme ("Small Talk", Whitney)
  • Laurel Premo: Vier archaische Klagegesänge für Stimme und Fiddle ("Laments", Laurel Premo)
  • Willie Nelson: Souveräner warmer Gruß an Merle Haggard ("Workin’ Man: Willie Sings Merle", Sony Music Entertainment)
  • Elly Langley & Riley Green: Dreifacher Abräumer bei den Country Music Awards ("You Look Like You Love Me", Sawgod Records)
  • Sylvie Vartans musikalische Wiederkehr in Ken Scotts Dramödie "Mit Liebe und Chansons (Ma mère, Dieu et Sylvie Vartan)" (Starttermin der deutschen Fassung: 27. November)

Maaru Will