Es begann 2007 mit der Documenta in Kassel, wo Ai Weiwei das Projekt "Fairy Tale" realisierte: Er schaffte es, eintausend Chinesen nach Kassel einladen zu lassen, damit sie selbst sich ein Urteil bilden konnten, über die Kunst, die von den Machthabern in China als dekadent bezeichnet wurde.
Es folgten Ausstellungen in München, London und Venedig, die Ai Weiwei zum Teil selbst nicht eröffnen konnte, weil er in China im Gefängnis saß oder nicht reisen durfte. 2015 gelang dem 61-jährigen Künstler und Aktivist die Ausreise nach Berlin, wo er seitdem lebt.
In Düsseldorf wird ihm jetzt eine große Retrospektive gewidmet, die vor allem eines zeigt: Wie sehr seine Kunst, unabhängig von seinen politisch motivierten Aktionen in China und auch anderen Teilen der Welt, von Minimalismus und Konzeptkunst geprägt sind. Vor der Documenta 2007 war Ai Weiwei 13 Jahre lang in den USA und ließ sich von Andy Warhol, Donald Judd und Richard Serra inspirieren.
Die größte Arbeit, die in Düsseldorf zu sehen ist, heißt "Sunflower-Seeds": Auf 650 Quadratmetern sind hundert Tonnen Sonnenblumenkerne aus Porzellan zu einem gigantischen Rechteck aufgeschichtet. Direkt daneben die Installation "Straight": Hier präsentiert der Künstler 164 Tonnen gebündelten Betonstahl aus Schulen, die 2008 bei einem katastrophalen Erdbeben in China einstürzten. Die Arbeit "Laundromat" besteht aus 40 Kleiderständern, an denen die zurückgelassene Wäsche aus einem 2016 aufgelösten Flüchtlingslager in Griechenland hängt.
Themen wie Flucht und Überwachung spielen eine wichtige Rolle im Werk des Künstlers und Menschenrechtlers, doch es wird nie sentimental. Die Monumentalität seiner Installationen macht sie zu radikalen Ausrufezeichen in der Welt der tausend Bilder des Internetzeitalters.
Vom 18. Mai bis zum 1. September werden neben den großen Installationen auch zahlreiche Fotos, Skulpturen, Objekte und Filme gezeigt. Es ist die bislang größte Schau der Arbeiten von Ai Weiwei in Europa.
Auf die kritische Frage von Journalisten in Düsseldorf, ob er es legitim finde, im Namen der Flüchtlinge sprechen zu wollen und damit Kunst zu produzieren, meinte der Chinese höflich, aber bestimmt: "Ich bin selber ein Flüchtling. Ich weiß, was es bedeutet, politisch verfolgt zu werden."
Außerdem in Forum:
- Das Hörbuch nach dem Roman "Die Hungrigen und die Satten" von Timur Vermes, gesprochen von Christoph Maria Herbst
- Ein Raerener in Cannes: Wie der Beleuchter Laurent Van Eijs die Filmfestspiele an der Seite von Regisseur Ken Loach erlebt hat
Werner Barth