Laurent Busine, der heutige Direktor des Museums für zeitgenössische Kunst der französischen Gemeinschaft in Grand-Hornu, präsentierte 1995 die Sammlung Prinzhorn zum ersten Mal in Belgien. Busine war damals noch Direktor des Palais des Beaux-Arts in Charleroi und hatte mit Ausstellungen von aktueller Kunst einen schweren Stand. Doch die Prinzhorn-Präsentation sorgte landesweit für positive Kritiken und Kunst von Geisteskranken war in aller Munde.
Seitdem sind Bilder des Schweizers Adolf Wölfli immer wieder in Themenausstellungen vor allem des Brüsseler Palais des Beaux-Arts aufgetaucht, weil damit der bekannte Art Brut-Kunstbegriff von Jean Dubuffet eindrucksvoll erweitert werden konnte. Über Kunst von Geisteskranken in Österreich ist hierzulande wenig bekannt.Ein Buch des Schriftstellers Gerhard Roth informiert jetzt über ein Haus der Künstler in der Nervenheilanstalt Gugging in der Nähe von Wien.
Das Buch mit dem Titel: "Im Irrgarten der Bilder" dokumentiert die Beziehung des Schriftstellers zu den Gugginger Künstlern seit über 35 Jahren. Neben 300 Fotografien ihrer Werke enthält der Band auch Biographien und Interviews. Mit den Künstlern, aber auch mit ihren Betreuern, angefangen bei den beiden Direktoren des Kunstzentrums seit seiner Gründung 1981. August Walla ist für Gerhard Roth das österreichische Pendant zum Schweizer Adolf Wölfli, doch auch Johann Fischer verdient laut Roth internationale Anerkennung.
Roths Buch macht vor allen Dingen eins deutlich: Nicht jeder Geisteskranke ist ein Künstler. Es gibt einen Unterschied zwischen Maltherapie und Malen. Das sei in der Vergangenheit in der Diskussion über Kunst von Geisteskranken oft verwechselt worden.
Das Buch "Im Irrgarten der Bilder" von Gerhard Roth ist im Residenz Verlag erschienen.
Valérie Jouve: "Résonances" (Steidl Verlag)
Die Französin Valérie Jouve hat Anfang der 80er Jahre in Lyon Ethnologie studiert und anschließend in Arles Fotografie. Ihr Oeuvre bewegt sich zwischen diesen beiden Polen, zwischen Dokumentation und Kunst. ValérieJouve zeigt die vorwiegend urbane Wirklichkeit und schafft es dennoch, sie gleichzeitig zu verfremden. Besonders seit sie das Medium Film zusätzlich verwendet.
Im Vorwort zu ihrem Bildband mit dem Titel "Résonances" schreibt Valérie Jouve, dass sie seit 2008 in Palästina lebt und arbeitet. Jetzt fühle sieden Unterschied: Die europäischen Zustände ließen sich aus der Ferne viel besser begreifen. Gerade weil die Erfahrungen im Nahen Osten Valérie Jouve verändert haben und noch mehr verändern werden, ist der Zeitpunkt für eine Bilanz gekommen.
Das Fotobuch "Résonances" ist die Bilanz von 20 Jahren Arbeit mit den Werkserien in Marseille und Saint-Etienne als Höhepunkten. Doch die Arbeit der Französin ist universell: Die Situation in den Städten weltweit ist am Ende des 20. Jahrhunderts uniformer geworden. Nicht nur die Architektur ist gleich, auch die Vereinsamung der Menschen nimmt zu.
Auch die Porträtaufnahmen bleiben distanziert. Meistens schauen die Bewohner der Vorstädte sowieso nicht in die Kamera. In den belebteren Innenstädten ist es Valérie Jouve selbst, die um Abstand und Anonymität bemüht ist. Sie folgt den rastlosen Menschen mit der Kamera und fotografiert sie oft von hinten. Aus Interviews mit der Künstlerin geht hervor, wie sehr ihr der politische Hintergrund am Herzen liegt. Auch in dieser Beziehung ist dieser Fotoband ein Dokument der 80er und 90er Jahre.
Wären diese Fotos in den 20 Jahren davor in Marseille entstanden, hätten noch Demonstrationen und Solidaritätskundgebungen das Straßenbild beherrscht. Vielleicht ist es das ja, was Valérie Jouve auf ihrer nächsten Etappe im Nahen Osten sucht.
Der Bildband "Résonances" von Valérie Jouve ist im Steidl Verlag, Göttingen erschienen.
Cover: Residenz Verlag