Agatha Christie nannte den letzten Roman, in dem ihr legendärer belgischer Detektiv seine grauen Zellen bemüht, "Vorhang - Poirots letzter Fall". Die Autorin (1890-1976) hatte nach mehr als 50 Jahren, 33 Romanen und mehr als 50 Kurzgeschichten wenig gute Worte für den exzentrischen Ermittler übrig, fand ihn einen "verabscheuungswürdigen, pompösen Mistkerl". Als Christie ihrer Romanfigur 1975 auf dem Papier den Garaus machte, würdigte die "New York Times" Poirot mit einem Nachruf auf der Titelseite. Punkt, Aus, Ende?
Als "schlicht ein Fall von gutem Timing" bezeichnet Christies einziger Enkel Mathew Prichard die Begegnung mit der britischen Bestseller-Autorin Sophie Hannah vor rund zwei Jahren. "Sophie hatte eine wahnsinnig gute Idee für einen Kriminalroman, und ihr Agent schlug dem Verlag ohne ihr Wissen vor, die Geschichte als Hercule-Poirot-Roman zu schreiben", erzählt Prichard, Vorsitzender der Agatha-Christie-Society, in London.
Sie habe nicht versucht, den unverwechselbaren und klaren Stil Christies abzukupfern, sagte die Autorin über ihren Krimi "Die amm-Morde", der jetzt in 29 Sprachen übersetzt erschienen ist. "Ich wollte einen Mordfall konstruieren, den Poirot gern gelöst hätte. Ich wollte nicht in ihre Fußstapfen treten, sondern ihre Schuhe polieren, denn sie ist nicht mehr da, um dies selbst zu tun."
Dass Christie ihren Detektiv Poirot höchstpersönlich hat sterben lassen, sieht Hannah nicht als Stolperstein: "Ich betrachte das Buch als Liebeserklärung an Agatha Christie, und ich würde mich geehrt fühlen, wenn ein Autor nach meinem Tod eine meiner Figuren wieder auferstehen lässt." Irgendwann in den 1980ern habe sie als 12-Jährige "Die Tote in der Bibliothek" gelesen und beschlossen "alles zu lesen, was Agatha Christie je veröffentlicht hat".
Hannah hat für den Leser eine Brücke geschaffen zu ihrem persönlichen Stil: Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Poirots neuem Assistenten, dem jungen Scotland-Yard-Detektiv Edward Catchpole. Als einstiger Mitbewohner Poirots gewann Catchpole das Vertrauen des Belgiers.
In eben jenem Londoner Kaffeehaus, in dem Hannahs Roman beginnt, haben die beiden Kriminalisten über so manch einem rätselhaften Fall gebrütet. Auch die amm-Morde stellen Poirot, wie Autorin Hannah sagt, "vor eine unmögliche Situation, wie es typisch für die Geschichten von Agatha Christie war": Eine junge Frau vertraut Poirot an, dass sie bald ermordet werde. Sie ringt ihm aber das Versprechen ab, den Mörder nicht zu verfolgen, denn mit ihrem Tod würde Gerechtigkeit geschehen. Äußerst rätselhaft also.
Werden weitere Poirot-Fälle aus der Feder von Sophie Hannah folgen, oder die amm-Morde verfilmt? Christie-Erbe Mathew Prichard lächelt: "Man weiß es nicht."
Der Kriminalroman "Die Monogramm-Morde: Ein neuer Fall für Hercule Poirot" ist seit Dienstag auf dem Markt. Auf Deutsch ist der Roman im Verlag Hoffmann und Campe erschienen.
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Britta Düysen, dpa /wb - Buchcover: Verlag Hoffmann und Campe