Hunderttausend Bücher, Zehntausende Neuerscheinungen, Tausende Veranstaltungen, prominente Autoren und Debütanten - die Leipziger Buchmesse war vier Tage lang das Mekka für Literaturfans. Als Gastland konnten die Besucher der Messe, die am Sonntag zu Ende geht, einmal Rumänien in den Blick nehmen.
"Rezist" - deutsch: widerstehen - ist ein Wort, das in Rumänien überall auftaucht. In den sozialen Netzwerken werden unter diesem Schlagwort Infos zu Anti-Korruptions-Protesten gepostet. Als gelb-roter Aufkleber prangt es am Tresen eines hippen Cafés in der Hauptstadt Bukarest. Und auch Schriftsteller des diesjährigen Gastlandes der Leipziger Buchmesse benutzten es oft - wegen der "komplizierten politischen Verhältnisse".
Derzeit ist der fünfte Kulturminister am Werk, seitdem die Rumänen und die Buchmesse den Vertrag für den Gastland-Auftritt in Leipzig besiegelt haben. Untrennbar mit der schwierigen politischen Lage verbunden sind die Anti-Korruptions-Proteste. Die Demonstrationen kamen nach der Brandkatastrophe in dem Bukarester Club "Colectiv" 2015 mit 64 Toten auf und halten bis heute an. Dessen ungeachtet hat der Justizminister gerade die Entlassung von Laura Kövesi, Chefin der Anti-Korruptionsbehörde DNA, eingeleitet.
Es sind also nicht die einfachsten Vorzeichen, unter denen Rumänien sich in Leipzig präsentierte. Viel vorgenommen hatten sich die Gäste trotzdem. Unter dem Motto "Zoom in Romania" präsentierten sie auf der Buchmesse 40 Neuübersetzungen. Das ist vergleichsweise ambitioniert, werden doch sonst jährlich nur drei bis vier Bücher ins Deutsch übertragen. Man wolle dem deutschen Publikum vor allem in Rumänien lebende Schriftsteller bekannt machen, deren Werke bisher zum Teil noch gar nicht ins Deutsche übersetzt wurden, so die Programm-Koordinatorin Ioana Gruenwald.
Deutschland ist ein wichtiger Markt für rumänische Autoren, der heimische Buchmarkt ist jedoch überschaubar. 60 Millionen Euro Umsatz macht die Branche pro Jahr. Das ist nicht viel im Vergleich. Die durchschnittliche Auflage eines Romans erreicht 1.500 bis 2.000 Exemplare. Nur vom Schreiben könne man nicht leben, berichteten die Autoren übereinstimmend. Praktisch alle Schriftsteller hätten noch andere Jobs als Lehrer, Dozenten, Übersetzer oder auch Journalisten.
Bleiben oder gehen - diese Frage haben vier Millionen Rumänen beantwortet und Arbeit und Zukunft außerhalb des Landes gesucht. Die Abwanderung hat gravierende Auswirkungen etwa auf das Gesundheits- und das Bildungssystem. Allerdings "Die Kultur funktioniert noch" - in diesem Punkt waren sich viele in Leipzig einig...
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Rudolf Kremer