Das Wesen eines Künstlers, eigentlich eines jeden Menschen, wird schon früh sichtbar und verändert sich im Laufe eines Lebens nur gering. Oder es wächst um einzelne Aspekte. Bei Wayne Shorter, geboren am 18. August 1933 in Newark, New Jersey, als Sohn eines Schweißers in der Nähmaschinenfabrik Singer und einer Schneiderin, war die Klarinette ein Instrument, das es zu verstehen und zu bedienen galt.
Ungeachtet seiner handwerklichen Sorgfalt, die er nach seiner Teenagerzeit aufs Saxofon übertrug, liebte Wayne Shorter (wie sein älterer Bruder Alan) den Bruch mit Regeln. Und er brach sie auf gewitzte Weise, nie auf Kosten anderer: Das konnten kleine Gesten sein wie Auftritte mit Sonnenbrillen in ohnehin dunklen Jazzkellern oder das Platzieren von Zeitungen anstelle von Notenblättern. Auch war er ein Liebhaber von Comics und Superhelden, bis zum Lebensende. Im Innern ein Kind bleiben, das beschreibt auch sein Vermögen als Künstler, der im Jazz gestalten, verändern und umhersuchen kann, einzig seinem Entdeckertrieb verbunden. Wenn Wayne Shorter neue, eigene Wege beschritt, geschah dies mit der Unschuld eines Kindes, das sich die Weite der Welt zu eigen machen wollte. Doch je größer der Horizont wurde, desto weiter rückte er in die Ferne, desto länger wurden die Wege, die Shorter bereisen konnte.
Nach seinem Studium leistete er Dienst in der Armee, kurz darauf wurde er Jazzmusiker von Berufs wegen, heuerte bei Art Blakeys Jazz Messengers an. Fast zeitgleich gründete er sein eigenes Ensemble. Früh war erkennbar: Da hat jemand einen spielerisch leichten Zugang zu einer ganz eigenen Form und Farbe des Spiels. Es dauerte nur fünf Jahre, bis Miles Davis ihn in sein Quintett berief (tatsächlich dauerte es kürzer, aber Shorter, die treue Seele, blieb zunächst bei Art Blakey). Die Zeit mit Miles war seine produktivste, auch und vor allem mit seinen eigenen Ensembles. Allein 1965 veröffentlichte er vier Alben, 1966 folgte sein stellares "Speak No Evil" (das er schon 1964 aufgenommen hatte). Als Anfang der 1970er Jahre Miles Davis mit Crossover-Experimenten Aufsehen erregte, schwenkte auch Wayne Shorter auf neue Formen ein. Hatte er zuvor noch Free-Jazz-Elemente in den Hard-Bop integriert, war es plötzlich leichte Anschmiegsamkeit, die er zusammen mit Joe Zawinul und Miroslav Vitous mit Weather Report zelebrierte, allerdings mit einer konstanten Instabilität - das Freiheitliche des Jazz im Gewand süßlicher Harmonie. Wayne Shorter begründete die Fusion, die die Brücke zur Popmusik baute.
Wayne Shorter hat bis zuletzt keine Wagnisse gescheut, wenn es um die Ergründung neuer, kollaborativer Spielarten ging. Zuletzt ließ er nochmal dem Kind in sich freien Lauf und schuf mit "Emanon" und einem Kammerorchester ein letztes Meisterwerk.
Wenn er nun, nach seinem über 89-jährigen Leben in einer anderen Welt weitersucht, was für ihn als Buddhisten außer Frage stand, dann können wir gewiss sein, dass er weiter nach seinem Motto lebt: Jazz, das ist ein Wort für "Ich wage es".
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Blues à la Carte
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Wayne Shorter
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Wild Flower [Remastered 1998 / Rudy Van Gelder Edition]
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(W.Shorter)
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(B.Wirtz / E.van.Rijthoven)
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Sonar Kollektiv
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(M.Nhlapo)
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Markus Will