Mit 102 Jahren ist das Vibraphon ein noch junges Instrument, dem Marimbapahon entlehnt, aber mit Schlagflächen aus Metall und vor allem einer aufwändigen Technik darunter, mit rotierenden Deckeln über Resonanzröhren. Lionel Hampton war der Erste, der es – aus einer Laune Louis Armstrongs heraus – in den Jazz brachte. Dass es noch immer als exotisches Instrument gilt, liegt an seiner rhythmisch-melodischen Doppeltönigkeit zwischen Schlagzeug und Klavier. Taucht man in die Geschichte ein, die es im Jazz geschrieben hat, wird das Feld der Interpreten sehr weit.
Der 1990 in Leverkusen geborene Volker Heuken kennt diese Geschichte gut. Nach einem Bachelor-Studium in Nürnberg bei Roland Neffe studierte er in Leipzig Komposition bei Michael Wollny. Dort hat er im Jahr 2019 auch den Jazznachwuchspreis der Stadt erhalten, für sein Trio mit Schlagzeuger Max Stadtfeld und Bassist Lorenz Heigenhuber. Im Programmheft fürs Preisträgerkonzert war zu lesen: "Was einst im rhythmischen Schlagzeugspiel seinen Ausgangspunkt genommen hat, ist jetzt zu klangbewussten Bewegungen im harmonischen Raum geworden." Volker Heuken kommt zwar vom Schlagzeug, orientiert sich heute aber an Pianisten oder Bläsern. Sein Zugang ist harmonisch und melodisch, weniger perkussiv. Als Bandleader ist er zurückhaltend, agiert sanft und beweglich. In der wachsenden Leipziger Szene hat er in diversen Konstellationen seinen Platz gefunden, vom Duo bis zu großen Bands. Das konnte ihm nur gelingen, weil er das Vibraphon nicht als Effektinstrument einsetzt, sondern seine lyrischen Möglichkeiten ausspielt.
Sein Sextett hat sich 2015 in Nürnberg auf einem Sommerfestival gefunden, wo es eine Woche lang allabendlich mit Vibraphon, zwei Bläsern, Klavier, Bass und Schlagzeug aufspielen konnte. Da rückte die junge Band zusammen, ein Gemeinschaftsgefühl entstand unter Heuken und seiner Wunschbesetzung mit Posaunistin Antonia Hausmann, Pianist Lukas Großmann, Bassist Alex Bayer, Schlagzeuger Jan Brill und Tenorsaxofonist Christopher Kunz.
Diese breite Instrumentierung schafft den besonderen Sound von Volker Heukens Kompositionen. Piano und Vibraphon verschmelzen, als bildeten sie ein neues Instrument. Auch die beiden Bläser kreieren einen gemeinsamen Klang. Die Musik ist streng organisiert. Dennoch agieren die Musiker nicht in einem starren Korsett, sondern öffnen Räume und füllen sie mit Vitalität, und das auf eine beeindruckend entspannte Weise, fast milde.
Für sein drittes Album wählte er den Titel "Deep Field", der sich auf ein (mit dem Hubble Weltraumteleskop erstellten) Bild eines Teils des Sternenhimmels bezieht. Darauf sind weit entfernte Elemente erkennbar, in winzigen Punkten eröffnen sich plötzlich ganze Galaxien. Ähnlich funktioniert auch Volker Heukens Musik: mit jeder Annäherung ergibt sich etwas Nächstes. So hat er eine wiedererkennbare Sprache gefunden, die den Hörer mit Kurzweil belohnt und doch mit immer neuen Wendungen überrascht.
Außerdem:
• Konzerttipp: 17. November im Eupener Jünglingshaus – Sal La Rocca und sein neues Quintett SLR5 New Band Ex im siebten Groove-Himmel. Mehr Infos gibt es auf der Webseite von Kultkom
• Umlaut Chamber Orchestra und die "Zodiac Suite" von Mary Lou Williams
• Lizz Wright hat den Blues: Vorgeschmack auf ihr kommendes Album "Shadows"
• Neue Jazz-Alben aus Belgien von Kaléïdoscopes, Abstract INC., Elsiris und Vincent Thekal & Fabian Fiorini Quartet
Nightcycling
(V.Heuken)
Volker Heuken Sextett
Xjazz! Music
48 Miles
(V.Heuken)
Volker Heuken Sextett
Xjazz! Music
Scorpio
(M.L.Williams)
Mary Lou Williams
Smithsonian Folkways
VIII. Scorpio
(M.L.Williams / P.A.Badaroux)
Umlaut Chamber Orchestra
Umlaut Records
Sweet Feeling
(C.Staton / C.Carter / M.Daniel / R.Hall)
Lizz Wright
Blues & Greens Records
Freedom of Thought (Live at Tournai Jazz Festival 2022)
(S.LaRocca)
SLR5 New Band Ex
Sal La Rocca
Tutu
(M.Miller / A.Furnelle)
Kaléïdoscopes
Mogno Music
Il Boscetto
(M.Heremans)
Abstract INC.
ZenneZ Records
To open an eye and close another
(J.Geijsels)
Elsiris
Jasmien Geijsels
Evidence (feat. Nicolas Thys
& Dré Pallemarts)
(T.Monk)
Vincent Thekal & Fabian Fiorini Quartet
Hypnote Records
Markus Will
Schön nochmals belg. Jazzmusiker zu hören.
ALLES GUTE!!