Nach Sonny Rollins ist er die älteste lebende Saxofon-Legende des Jazz. Charles Lloyd bekam sein erstes Saxofon im Alter von neun Jahren und spielte in den 50er-Jahren in den Tourbands der Blues-Größen Howlin’ Wolf und B.B. King. Als er 1956 das damals rassistisch-erdrückende Tennessee Richtung L.A.verließ, änderte sich sein Stil, und vier Jahre später ersetzte er Eric Dolphy in der Gruppe von Chico Hamilton. Nahezu gleichzeitig begann Lloyd seine Solokarriere. Dass er Rockelemente in seine Musik aufnahm, machte ihn bei einem breiteren Publikum beliebt. Im Laufe seiner Karriere ist er immer experimentierfreudiger und kantiger geworden, doch noch immer wird seine Rolle im Jazz unterschätzt.
Im Gegensatz zu seinen Legenden-Kollegen, die mit selbstverzehrender Intensität ihre musikalischen Läufe absolviert haben, hat sich Charles Lloyd in einer beinahe naiven Weise einer Gemeinsinnorientierung verschrieben, die in jeder Unterhaltung, jeder Improvisation, jedem Zusammenspiel einen gemeinsamen Frieden, eine leuchtende Einheit sucht. Sein Spiel, ob mit Saxofon oder Flöte, gilt als "Tuschpinselschönheit", doch das bedeutet nicht, dass seine Musik spannungslos wäre, im Gegenteil. In Charles Lloyd schlägt das Herz eines Südstaatlers, eines Bürgerrechtsbewegten und eines unerschütterlichen Glaubenden, dass Gemeinschaft möglich ist, ob global oder im Kleinen.
Im Kleinen, das sind seine Trios und Quartette, und dazu zählt auch die neue Konstellation auf "The Sky Will Still Be There Tomorrow": sein langjähriger Pianist Jason Moran, Bassist Larry Grenadier und, zum ersten Mal überhaupt (obwohl sie sich schon seit Jahren kennen), Schlagzeuger Brian Blade. Während Lloyd und Moran nach Symmetrie streben, lehnt sich Blade asymmetrisch entgegen, setzt unterschiedliche Proportionen und stellt darüber Überlegungen zu Beziehungen an. Grenadiers Kontrabass erhebt sich überall dies, nimmt Phänomene wahr, die sowohl Herz als auch Mathematik beschäftigen. Die Emotion des einen ist mit dem Verständnis des anderen verbunden. Der vierköpfige Klangkörper verfolgt die Überzeugung, dass wir durch den Sinn des Herzens zu einem zarten gesunden Menschenverstand gelangen.
Charles Lloyd hat am 15. März 2024 seinen 86. Geburtstag gefeiert – und am selben Tag dieses Werk maßloser Zärtlichkeit der Welt eröffnet. Was sich schon mit dem "Trio"-Zyklus und dem halben Dutzend Live-, Quartett- und Soloalben auf Blue Note seit 2013 angedeutet hat, erhält nun ein fulminantes Denkmal: Charles Lloyd hat einen neuen Gipfel seiner Karriere erklommen.
"The Sky Will Still Be There Tomorrow" erscheint am 15. März 2024 auf Blue Note.
Weitere Alben in der Sendung
- Toine Thys’ Orlando: Betterlands (Hypnote)
- The Messthetics and James Brandon Lewis (Impulse!)
- Moor Mother: The Great Bailout (Anti-)
- Angelica Sanchez, Chad Taylor: A Monster Is Just An Animal You Haven’t Met Yet (Intakt)
Außerdem: Kinga Głyk am 19. März 2024 mit ihrem Album "Real Life" (Warner) im Alten Schlachthof Eupen (Infos des Veranstalters) und ein Nachruf auf Jim Beard.
Jazz live in der Regio 2024
- 23. März, Eupen, Jünglingshaus: Eliott Knuets 5tet – Info+Karten
- 25. April, St. Vith, Café Trottinette: Wajdi Riahi Trio – Info+Karten
- 27. April, Eupen, Jünglingshaus: Wajdi Riahi Trio – Info+Karten
Booker’s Garden
(C.Lloyd)
Charles Lloyd
Blue Note
Ghost of Lady Day
(C.Lloyd)
Charles Lloyd
Blue Note
Boatly
(B.Canty / J.Lally / J.B.Lewis / A.Pirog)
The Messthetics and James Brandon Lewis
Impulse!
God Save The Queen (feat. Justmadnice)
(C.Ayewa)
Moor Mother
Anti-
That Right There
(M.League)
Kinga Głyk
Warner
Flying Whale
(T.Thys)
Toine Thys, Orlando
Hypnote
Animistic
(C.Taylor / A.Sanchez)
Angelica Sanchez, Chad Taylor
Intakt Records
Holiday
(J.Beard)
Jim Beard with Vince Mendoza & The Metropole Orchestra
Intuition
Coucou
(J.Féline / A.Mathas)
Tchavolo Schmitt
Mambo Productions
Markus Will