19 Neuerscheinungen seit September zählt allein das Portal jazzinbelgium.be – ein ordentlicher Output für unser kleines Land. Setzt man das zur Bevölkerung ins Verhältnis, entspräche das 135 Jazz-Neuerscheinungen in Deutschland und 546 in den USA – in sechs Wochen.
Es sind aber nicht nur Belgier, die sich ins Frickeln gestürzt haben, sondern auch viele musikalische Gäste, die in Belgien artists in residence sind, an einer der vier königlichen Konservatorien in Brüssel, Antwerpen, Lüttich oder Mons studieren, an einer der anderen bedeutenden Musikschulen wie das Lemmensinstituut in Löwen oder das IMEP in Namur – oder der vitalen, experimentierfreudigen und traditionsreichen Jazz-Kultur mit ihren weltbekannten Clubs und Festivals wegen gleich ganz nach Belgien gezogen sind. Speziell Brüssel ist eine Drehscheibe für Künstler aus Frankreich, Niederlande, England und den USA. Es sind aber besonders die italienisch-stämmigen Musiker, die dieser Tage auffällig viel zum Repertoire Made in Belgium beitragen.
- Gitarrist Gabriele di Franco und Pianist Francesco Negro betören mit einem magischen Duo-Album von soghafter Ruhe und Kraft, Sängerin Vanesa Diaz Gil sorgt für Gänsehautmomente ("Cantabile", Da Vinci Jazz)
- Saxofonist Federico Milone vermittelt mit seinem italienisch-amerikanischen Quartett Emotionen zwischen zwei widerstreitenden Ich-Perspektiven ("Deux Moi", Filibusta Records)
- Audrey Lauro erforscht das Verhältnis zwischen menschlischer Stimme und Saxofon auf ihrer 16. Veröffentlichung ("Prose Métallique", Relative Pitch Records)
- Saxofonist und Flötist Manuel Hermia & Christine Ott, Großmeisterin an den Ondes Martenot, verinnerlichen in einem meditativen Exkurs den Grundsatz alles Lebens: die immerwährende Transformation ("The Lotus Path", Igloo)
- Die Gruppe Ashtabiez rund um den syrischen Trompeter Yamen Martini baut eine neomoderne Brücke zwischen Okzident und Orient ("Latitude", Yamen Martini)
- Das zum Trio geschrumpfte Dauerlabor Pentadox um Schlagzeuger Samuel Ber arbeitet sich weiter an seinen Konzepten rund um Komposition, Improvisation, Interaktion und Navigation zwischen Jazz, klassischer Musik, Improvisation, Elektronik und zeitgenössischer Musik ab ("As If It Were Tomorrow", Challenge Records)
- Das Ramon van Merkenstein Trio erzählt acht völlig unabhänige Geschichten, die sich in den weiten Raum von Gabriele di Francos Gitarrengewölben erstrecken ("Waiting for a Summer Storm", Challenge Records)
- Zwei Großmeister an der 7-saitigen Gitarre, Swami Júnior und Pierre Gillet, eröffnen mit Akkordeonist Thibault Dille (und Gast-Akkordeonist Lionel Suarez) ein Paradies eines sehr eigenen Brasil-Jazz ("Le Grand Sud", Mogno Music)
- Live-Tipp: Manuel Hermia & Christine Ott, am 25. Oktober im L’An Vert in Lüttich. Infos auf der Seite des Veranstalters.
Markus Will