Fällt Licht durch ein winziges Loch in einen sonst lichtdichten Hohlkörper, dann entsteht darin ein seitenverkehrtes, auf dem Kopf stehendes Bild – eine Projektion des Außenraumes. Diese Camera Obscura genannte Anordnung war der Vorläufer der Fotografie, im übertragenen Sinne ist es zum Bild für die Fallen des wissenschaftlichen Denkens geworden. Das menschliche Auge nimmt die Welt wahr, in ihm entsteht sie neu und individuell verändert.
Beim Lütticher Saxofonisten Pierre Vaiana wird Camera Obscura zur musikalischen Metapher für das umgekehrte Bild der Welt, die uns umgibt. Die Musik erkundet mehrere Wege: den Weg, den Schatten und das Licht. Vaiana hat sich mit seinem Sopransaxofon, mit Artan Buleshkaj an der Gitarre und mit dem Cellisten Lode Vercampt in eine imaginäre Camera Obscura, eine Dunkelkammer begeben, heraus gekommen ist eine Art Roadmovie einer Reise – oder von drei Reisen – ins sehr persönliche Innere dreier lebenserfahrener Instrumentalisten. Die zwei Gesangsstücke unter Pierre Vaianas zehn Eigenkompositionen singt sein Sohn François, auf vier Stücken stößt Kontrabassist Nicolas Thys dazu. Musikalisch vereint Pierre Vaiana jede Musik, die er liebt: Jazz, Folk, Kammer- und Weltmusik.
"Camera Obscura" ist ein feinfühliges, achtsames Kaleidoskop von sanft fließenden oder pulsierenden Klanggebilden, mit emotionalen Rastpunkten und einzelnen Reibungen an der einfallenden Wirklichkeit. Am Ende triumphiert es als Manifest eines inneren Friedens. Es ist erst das fünfte Album, das unter Pierre Vaianas alleinigem Namen erschienen ist, beginnend mit "Trinacle" von 1985. Am 22. November wird er im Rahmen einer Jazzporträt-Soirée im Maison du Jazz in Lüttich zu erleben sein.
"Camera Obscura" von Pierre Vaiana ist am 8. November 2024 auf Igloo Records erschienen.
Weitere Alben in der Sendung:
- Aaron Parks: Little Big III (Blue Note) – am 18.11. live im Alten Schlachthof Eupen!
- Ilja Ruf Trio: Halftime Show (GP Arts)
- Amaury Faye, Igor Gehenot: Live at Bozar (Live at Bozar)
- Tomin: A Willed and Conscious Balance (International Anthem)
Markus Will