Geht ein Musiker an einer Kneipe vorbei. So lautet ein gängiger Witz unter Menschen, die Musiker für undiszipliniert und sowieso suchtabhängig halten. Aber auch Musiker selbst schätzen die kunstvolle Reduktion dieses Klischees als Mittel der Selbstironie. Wenn Daniel Auteuil auf Julien Daïans neuem Album "Suppose It Is Butter" kratzkehlig aus dem Hintergrund "Les musiciens dorment le matin" nölt (ein Zitat aus Auteuils jüngstem Film "Le Fil"), dann mag das zwar auf den gern gesehenen Umstand hinweisen, dass Musiker nun mal spät abends auftreten und entsprechend spät zum Schlafen kommen, aber seien wir ehrlich: der gemeine Reflex sieht in dieser Zeile den Schlaftatbestand der Taugenichtserei beschrieben, begründet und rechtskräftig verurteilt.
Ein Fall für Julien Daïan. Der Komponist und Produzent, der seit über zwanzig Jahren für die Werbeagentur Publicis arbeitet, kann darüber Witze machen. So wie er ganz allgemein Ernsthaftigkeit für eine Dysfunktion in jedwedem Kreativbetrieb hält. Gleichzeitig, und darin liegt das besondere Prädikat des Touche-à-tout aus Paris, haben wir es hier mit einem herausragenden Instrumentalisten und originellen Komponisten zu tun. Merke: Spaß bei der Sache und eine Leichtigkeit des Tuns machen noch keinen Dilettantismus!
"Suppose It Is Butter" ist das vierte Album unter eigenem Namen und das erste ohne den Zusatz "Quintet", dafür mit Gästen wie den Schauspielstar Daniel Auteuil (mit dem Daïan ohnehin eng ist, bringt er doch dessen eigenes Album "Si vous m’aviez connu" auf seinem Label French Paradox heraus), den jamaikanischen Reggae-Sänger Winston McAnuff und den jungen US-Rapper Biship Chasten aus North Carolina. Das französische Jazz Magazine titelt, es sei sein bestes Album, und es ist auch sein abwechslungsreichstes, ein hoch unterhaltsames und packendes Pastiche, voller lebendiger, glockenheller Grooves, mit rohem Soul oder scharfen Raps, mit frechen Saxofonflächen, und sogar Fototapetenkitsch ("Lunar Glow In The Lagoon") mündet in einer geistreichen Fusion von Reggae und Jazz. Doch auch in Julien Daïans experimenteller Jazzküche gilt: Mit gutem altem Butter-Aroma wird’s einfach besser.
"Suppose It Is Butter" von Julien Daïan ist am 29. November auf French Paradox Records erschienen.
Weitere Alben in der Sendung
- Mackwood: Master Changes (5dB)
- Waaju: Alouane (feat. Majid Bekkas) (BBE)
- Airelle Besson, Sebastian Sternal, Jonas Burgwinkel: Surprise! (Papillon Jaune, Vinyl ab 6.12.)
- Zé Nigro: Silêncio (Nublu)
+ Neuheiten von Phil Dawson ٤-tet und Dowdelin
Markus Will