Christian Pabst spielt nicht nur Jazz - er nutzt ihn als Widerstand. Mit "Rhythm Riot" bezieht der in Deutschland geborene und in Italien lebende Pianist feurig Stellung: Musik als Antwort auf eine Welt in der Krise. Inspiriert von Leonard Bernsteins Reaktion im November 1963 auf die Ermordung von John F. Kennedy, die Antwort der Musik müsse es sein, intensiver zu musizieren als je zuvor ("This will be our reply to violence: to make music more intensely, more beautifully, more devotedly than ever before"), komponiert Pabst mit Dringlichkeit, Schönheit und kühnem Trotz.
Aufgenommen in Kölns kultigem Loft-Studio ist "Rhythm Riot" alles andere als ein stiller Protest. Es ist ein Aufstand mit Rhythmus - spielerisch, intensiv und zielstrebig. Unterstützt von seinen langjährigen Mitstreitern André Nendza (Kontrabass) und Erik Kooger (Schlagzeug) führt Pabst ein Trio an, das wie aus einem Guss spielt und Melodie und Dynamik in einer eigenen Sprache verschmilzt.
Jeder der sieben Tracks fügt der Rebellion ein neues Kapitel hinzu: "Incoming Signal" bricht mit selbstbewusstem Schwung herein, "24-7" stolpert stilvoll durch rhythmische Spannungen und "Sky" lässt Pabsts Klavier mit einer Art heiterer Dringlichkeit aufsteigen. Es gibt Free-Jazz-Interventionen in "Enigma", lyrisches Abdriften in "Mount Rakan" und cineastische Hitze in "Kimnara". Das Album schließt mit "Encore", einer modalen Anspielung auf die Tradition des modernen Jazz - gerade nah genug am Vertrauten, um wie ein Augenzwinkern zu wirken.
Aber dies ist nicht nur ein Album, es ist ein Statement. "Rhythm Riot" markiert die Fortsetzung von Pabsts künstlerischer Entwicklung und vielleicht einen Wendepunkt. Wenn diese Platte Protest ist, dann ist sie auch ein Versprechen. Christian Pabst macht Musik für den Moment - einen der meistunterschätzten Zeiträume unserer Ära.
"Rhythm Riot" von Christian Pabst ist am 4. April auf Jazzsick Records erschienen.
Außerdem in dieser Sendung
- Europas Brazilian-Guitar-Spezialist Martin Müller hat sein Archiv der letzten 25 Jahre durchkämmt und aufgefrischt ("Tempo Brasileiro", Galileo)
- Ode an einen Musikliebenden: Claude Diallo Situation & Bruno Spoerri würdigen den Mäzen Richard Irniger ("Homage To Richard", Dot Time Records)
- Erinnerungen an die Kraft liebender Eltern: Silje Nergaard mit Quintett + Stavanger Symphony Orchestra ("Tomorrow We’ll Figure Out the Rest", Masterworks)
- Live in Eupen: Nils Wogram & Root 70 - am 11. April im Alten Schlachthof (Infos beim Veranstalter)
- Live in St. Vith: Macondo Trio + Melukan Fusion - am 11. April im Kino Corso (Infos beim Veranstalter)
- Louise van den Heuvel mit Sonic Hug auf dem Jazzorwhatever!?, 4. bis 6. April in Wiltz/Luxemburg (Infos beim Veranstalter)
Markus Will