Herbie Hancocks Zugang zur Welt beginnt mit technischer Neugier. Als Dreijähriger öffnete er Uhren, weil er wissen wollte, wie sich der Sekundenzeiger bewegt. Diese frühe Faszination für die Funktionsweise von Dingen hat sich auf seine musikalischen Erkundungen übertragen. "Wie sich die Musik über die Generationen hinweg entwickelt hat, war wirklich spannend für mich, und ich versuche, damit Schritt zu halten und nicht in das zu verfallen, was ich für eine schlechte Angewohnheit halte: an einem Status quo festzuhalten und alles abzutun, was nicht so ist. Kann ich das hier nutzen? Was kann ich daraus lernen? Das war für mich schon immer das spannende Problem, das es zu lösen galt."
Von seinem fulminanten Debüt mit dem Chicago Symphony Orchestra im Alter von elf Jahren bis hin zu den Jahren, in denen er mit Miles Davis zusammenarbeitete, hat Hancock immer wieder Grenzen verschoben. In der Zusammenarbeit mit Davis vermischte er akustische Traditionen mit elektrischem Futurismus ("Miles in the Sky", "Filles de Kilimanjaro"). Eigene Alben wie "Head Hunters" und "Thrust" erklommen nicht nur die Charts, sondern öffneten sie für eine zuvor marginalisierte Musik, indem sie mit einer Fusion aus Jazz, Funk und elektronischen Klängen den Horizont des Publikums erweitert haben.
Heute bleibt Hancocks Einfluss in seiner Rolle als Unesco-Botschafter und Gründer des International Jazz Day spürbar, wo er sich für die globale Bedeutung des Genres einsetzt, insbesondere in der Erziehung von Kindern. Sein Engagement in der Kulturdiplomatie unterstreicht seinen Glauben an die Musik als universelle Sprache.
Auch zu seinem 85. Geburtstag setzt sich Hancock nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit zur Ruhe. Am 27. Mai 2025 wird er in Stockholm mit dem Polar Music Prize geehrt, dem bedeutendsten Musikpreis überhaupt. Fans können sich auf seine bevorstehende Europatournee freuen, unter anderem mit Auftritten in Gent am 4. Juli und in Essen am 9. Juli.
Außerdem in dieser Sendung:
- Virtuos und blendend aufgelegt: Hiromi’s zweites Sonicwonder-Album ("Out There", Telarc)
- Jasen Weaver – ein Cajun verliebt in Brüssel ("The Move", Jasen Weaver)
- Der Raum zwischen dem Dreibein: das Ghent-Siegener Trio Háromlábú ("Helix", Off)
- 90er- und Nullerjahre-Clubmusik revisited: Alexander Floods Nu-Jazz-Interpretationen mit Live-Band ("Artifactual Rhythm", Atjazz)
- Unfertiges Experiment: Gerald Clayton und die (bevorstehende) Fusion der A- und B-Seiten seines neuen Albums ("Ones & Twos", Blue Note)
- R&B mit Jazz-Posaune: der verschwommene Sound von Ebba Åsman ("When You Know", Dorado Records)
- Krautrock solo: Lutz Graf-Ulbrichs neue ätherische Freiheit ("Lüüls Lab", Kulturmanufaktur)
Markus Will