Der Deutsche Jazzpreis zählt im fünften Jahr seines Bestehens bereits zu den größten Auszeichnungen des Genres in Europa, und er hatte gleich zur Eröffnung eine Nachricht zu verkünden, die ihn weiter stärkt: Erstmals werden nicht nur die Gewinner mit einem Preisgeld nach Hause gehen, sondern auch die Nominierten. Eine halbe Million Euro wurde so am 14. Juni im Kölner E-Werk unter die Jazzschaffenden gebracht – angesichts der drastischen Kürzungen in allen Kulturbereichen ein starkes Bekenntnis des deutschen Bundeskulturministeriums, in dessen Auftrag die Auszeichnungen erfolgen. Es ist auch ein kluger Zug, um das Standing des Preises international weiter zu verbessern. Genau daran entzündet sich auch Kritik: Die Preisverleihung, die mit über drei Stunden seit jeher strapaziös werden kann, auch weil sie nach fünf Jahren noch immer nicht zu einer Dramaturgie gefunden hat, die über die Zeit trägt, könne ja auch auf die internationalen Kategorien verzichten - so war auf der anschließenden Feier aus manchem Mund zu hören, schließlich ist das ja der DeutscheJazzpreis.
Andererseits: Fünf internationale Preise gegenüber 17 nationalen sind ein überschaubares Zugeständnis, besonders wenn man bedenkt, dass ohne Gäste wie Nduduzo Makhathini, einer der größten lebenden Jazzmusiker des afrikanischen Kontinents, oder den 101-jährigen Marshall Allen (wenn auch nur per Video zugeschaltet) die Veranstaltung noch weniger Glanz ausgestrahlt hätte als ohnehin schon. Jazz in seinen reinsten Formen wirkt klein auf dem roten Teppich. Er ist nach Maßstäben der Unterhaltungsindustrie unerheblich, sieht man von wenigen Ausnahmen ab wie Helge Schneider oder Till Brönner (national) oder Norah Jones, Jeff Goldblum oder Laufey (international) - und diese Namen zeigen: Ohne einen gewissen Crossover- und Retro-Charme geht es nicht, wenn man ein größeres Publikum erreichen will als nur die Blase der Musizierenden selbst und einiger aufgeschlossener Musikliebhaber. Dabei stehen die Veranstalter selbst bei einem eng gefassten Jazzbegriff vor einer enormen Herausforderung: Auch bei 22 vergebenen Preisen wird hier nicht die Jazzszene in ihrer ganzen Breite repräsentiert. Vertreter*innen mit populärem Repertoire fehlen ebenso wie Interpreten der Freien Musik oder folkloristisch geprägte Künstler*innen wie aus dem Flamenco, Jazz Manouche oder östlichen Spielarten, die allesamt auch in der Mitte Europas lebendig sind, nicht nur in ihren Herkunftsländern.
So darf man unterm Strich dankbar sein, dass es überhaupt eine Institution wie den Deutschen Jazzpreis gibt. Während die Schwemme europäischer Jazzfestivals eher die wichtige Graswurzelarbeit nebst Publikumspleasing leistet und ein Schwarm von hier und da verliehenen Einzelpreisen nur begrenzte Strahlkraft hat, herrscht großer Mangel an Events, die zu einer Leistungsschau und Standortbestimmung (trans-) nationaler Entwicklungen im Jazz taugen. Die reiche belgische Jazzszene ist dafür ein Beispiel: Außer des Toots-Thielemans-Award, der auf dem Brussels Jazz Festival als Einzelpreis vergeben wird, gibt es kein Ereignis, das einmal im Jahr die Errungenschaften der belgischen Jazzkultur nicht nur feiern, sondern reflektieren und ehren würde. Dabei hätte sie es mehr als verdient.
Übersicht der Preisträger auf der Seite des Veranstalters.
Die Deutschen Jazzpreise 2026 werden am 25. April 2026 in Bremen verliehen.
Außerdem in dieser Sendung
- GoGo Penguin: Das achte Album - erweiterte Atmosphäre mit Gästen, Streichern und neuen Synths ("Necessary Fictions", XXIM Records)
- Joshua Redman: Komponierte Kammerstücke mit junger Energie ("Words Fall Short", Blue Note)
- Amina Claudine Myers: Reduktion mit Resonanz - ein klingendes Selbstporträt ("Solace of the Mind", Red Hook Records)
- Varre Vartiainen & Mike Stern: Gitarrendialoge mit Liebe zum Instrument und Freude an der gemeinsamen Freundschaft ("Head and Heart", Eclipse Music)
Markus Will