Wir alle werden Geschichten. Diesem Gedanken folgt das Kölner Septett Sanuyé, dessen eigene Geschichte 2018 im deutschen Bundesjazzorchester begonnen hat. Heute präsentiert es eine Musik, die sich einer einzelnen Schublade entzieht. Schon der Name ist besonders: Sanuyé sei ein Vorname, der so viel bedeute wie "eine rote Wolke, die beim Sonnenuntergang angestrahlt wird", erzählte Sängerin Katharina Koch in einem Interview. Lange habe sie nach einer Alternative zum üblichen "Katharina Koch Septett"-Jazz-Kauderwelsch gesucht – und fand im Bild der roten Wolke ein Symbol für die poetische, atmosphärische Ausrichtung der Band.
Musikalisch vereinen Sanuyé Indie Jazz, Neo Soul, Pop und einen Hauch von Chanson. Dabei ist Katharina Kochs Stimme der emotionale Mittelpunkt: mal direkt und verletzlich, mal voller Energie, mal erzählerisch wie in einem Chanson. Ihre Texte handeln von Verlust und Neuanfang, von politischer Ohnmacht und persönlicher Stärke. Die eher trüben Texte versucht sie so wenig schwermütig wie möglich zu vertonen – damit sie "sie später auf der Bühne noch singen kann", gab Koch einem Magazin zu Protokoll.
Das Ergebnis ist eine Musik, die gleichzeitig leichtfüßig und tiefgründig wirkt. Ihr Song "No War to be won" entstand aus konkreten politischen Anlässen, andere Songs sind aus persönlichen Erfahrungen erwachsen – doch immer schaffen Sanuyé Räume, in denen sich Hörer mit eigenen Gefühlen wiederfinden können. Obwohl Katharina Koch nicht als Instrumentalistin in der Band in Erscheinung tritt (tatsächlich ist sie multiinstrumental), ist sie deren alleinige Komponistin. Die Band hebt sich jedoch als Kollektiv ab: Die sieben Musiker und Musikerinnen – alle mit Jazzstudium – spielen auf Augenhöhe. Improvisation trifft auf Struktur, Groove auf lyrische Momente. Live entsteht so ein gemeinsamer Raum des Innehaltens, in dem Nähe und Austausch spürbar werden.
Mit ihrem Debüt legen Sanuyé ein Album vor, das mehr ist als die Summe seiner Teile: eine Musik als Projektionsfläche, als Einladung, aus dem Alltag auszusteigen – und sich für einen Moment von rotem Abendlicht hinreißen zu lassen.
"We All Become Stories" von Sanuyé ist am 29. August 2025 bei Sanuyé erschienen.
Außerdem in dieser Sendung:
- Erstmals zwei rein weibliche Formationen in Eupen: Doppelkonzert am 3. September im Alten Schlachthof – das A-cappella-Quartett Mata trifft auf das Quintett von Sara Decker – zwischen präzisem Vokaljazz und international besetztem Modern Jazz – Infos auf der Webseite vom Alten Schlachthof
- Paul Urbanek: Standards und vier Eigenkompositionen – Jazztradition als lebendiger Spielplatz ("The Quartet – Standards Volume 3", Galileo)
- Thomas Quendler: Debüt mit energiegeladenem Trio-Sound zwischen Straight-Ahead, Rockimpulsen und lyrischer Romantik ("Awaking", Double Moon Records)
- Julien Tassin & Heikki Ruokangas: Belgisch-finnischer Gitarrendialog zwischen Melodie, Dissonanz und Raum ("Behind the Mask", Challenge Records)
- Daniel Carter & Ayumi Ishito: Akustische Instrumente treffen elektronische Texturen ("Endless Season", 577 Records)
Maaru Will