Mit diesem Quartett-Debüt legt der irische Bassist und Komponist Dave Redmond ein Album vor, das sich mit jedem Takt ins Ohr und in die Nervenbahnen spielt. Der Titel ist Programm: Bewegung ist hier nicht nur musikalisches Prinzip, sondern ästhetisches Credo - forward, inward, outward. Redmonds zehn Kompositionen eröffnen Räume, in denen sich Struktur und Spontaneität die Waage halten. Jedes Stück ist sorgfältig gebaut und doch bleibt immer genug Raum für das Risiko, für überraschende Wendungen, für die Lust am Moment.
Das Quartett, das Redmond dafür versammelt hat, liest sich wie ein kleines europäisch-amerikanisches Gipfeltreffen: George Colligan (USA) am Klavier, Darren Beckett (Irland/USA) am Schlagzeug und Stéphane Mercier (Belgien) am Altsaxofon. Gemeinsam mit Redmond am Bass entsteht ein Klangkörper, der sich zwischen pulsierendem Post-Bop, lyrischen Balladen und groove-orientierten Stücken bewegt. Dabei wird nichts scharfkonturiert oder überarrangiert - die Musik hat Fleisch und Knochen, ist lebendig, voller Atem und Emotion.
In "Windchill" etwa öffnet sich die Melodie in einen Groove, der den Solisten Raum für spontanes Entwickeln gibt, während die Harmonik als Anker bleibt. Überhaupt gelingt es den vier Musikern, kollektive Improvisation so organisch zu gestalten, dass jeder einzelne Charakter hörbar bleibt: Colligans erfindungsreiche Harmonien, Merciers lyrische Linien mit viel Soul, Becketts elastisches Zeitgefühl und Redmonds dicke Resonanz am Bass.
Gerade die Balance von Präzision und Spiellust macht "All in Motion" zu einem außergewöhnlichen Werk. Es ist ein Album, das die Essenz von zeitgenössisch europäischem Jazz einfängt - mit irischen Wurzeln, belgischer Expressivität und amerikanischer Schlagkraft. Ein Beispiel dafür, dass Jazz im besten Fall immer über Grenzen unterwegs ist.
"All in Motion" von Dave Redmond ist am 5. September bei Step by Records erschienen.
Außerdem in dieser Sendung
- Christian Muthspiel & Orjazztra Vienna: Ernst Jandls Stimme trifft auf orchestrale Jazzpartituren ("Vom Jandln zum Ernst", col legno music)
- Johan Dupont Trio: From Liège with Lyricism - energetische Dynamik, live in St. Vith am 26. September - organisiert von Ars Vitha in Kooperation mit Jazz à Verviers und BRF1
- Suzette: Franko-belgischer Swing-Jazz im Chanson- und Bossa-Nova-Mantel ("Midnight Voyage de la Nuit", Suzette Records)
- Anne Paceo: Atmosphärische Tauchreise zwischen Jazz, Pop und elektroakustischer Wucht ("Atlantis", Jusqu’à la nuit)
- Andreas Feith & Markus Harm: Pianist und Saxofonist im intuitiven Dialog ("Abstract Truth", Double Moon Records)
- Linda May Han Oh: Star-Bassistin in intensiv rohem Trialog mit Ambrose Akinmusire und Tyshawn Sorey ("Strange Heavens", Biophilia Records)
- Brad Mehldau: Hommage an den Singer-Songwriter Elliott Smith - orchestraler Songbook-Jazz zwischen Melancholie und Eleganz ("Ride into the Sun", Nonesuch Records)
Maaru Will