Der englische Autor Julian Barnes schrieb 2016 mit "Der Lärm der Zeit" einen der besten Künstlerromane überhaupt. Anhand von drei wichtigen Episoden im Leben des Komponisten Dmitri Schostakowitsch erzählt er vom Künstlerleben in Zeiten der Diktatur.
Schostakowitschs Leben war wie ein Roman. 1906 in St. Petersburg geboren. Nach erstem Klavierunterricht durch die Mutter, besuchte er von 1919 bis 1925 das Konservatorium.
Nach dem Tod des Vaters 1922 verdient Schostakowitsch seinen Lebensunterhalt als Pianist im einem Stummfilmkino und bringt 1926 seine Erste Symphonie zur Uraufführung. Man erwartet "staatstragende" Werke von Schostakowitsch. So entsteht zum Beispiel seine Zweite Symphonie 1927 zur Feier des 10. Jahrestages der Oktoberrevolution. Insgesamt wird Schostakowitsch 15 Symphonien schreiben.
Auch die Oper fasziniert ihn von Jugend an. So wird 1930 seine Oper "Die Nase" uraufgeführt und und 1934 "Lady Macbeth von Mzensk". Die Uraufführung 1934 in Leningrad wird zu einem Riesenerfolg: das Stück wird in der ganzen UdSSR gespielt, Ende der 1930er Jahre sogar weltweit.
Doch sieht Stalin 1936 die Oper und ist nicht begeistert. Sie verderbe den Charakter des Volkes. Schostakowitsch fällt in Ungnade: nicht nur die Oper, seine ganze Musik wird verboten. Schostakowitsch muss jahrelang um sein Leben fürchten.
Auch seine Vierte Symphonie muss er wegen der "Staats-Kritik" zurückziehen. Seine Fünfte Sinfonie schreibt er dann als eine "praktische Antwort eines Sowjetkünstlers an gerechter Kritik". Sie ist kürzer und weniger opulent besetzt als die Vierte. Das Regime akzeptiert ihn wieder und er erhält eine Professur in Leningrad.
Schostakowitsch widmet sich ebenso intensiv dem Streichquartett. 1938 veröffentlicht er das erste seiner insgesamt 15 Streichquartette. Streichquartette sind für ihn der Inbegriff der klassischen Struktur, aber auch anspruchsvoll für Hörer. Heute zählen Schostakowitschs Streichquartette zählen zu den wichtigsten des 20. Jahrhunderts.
Zur Bestreitung seines Lebensunterhalts komponiert Schostakowitsch auch Filmmusik und Unterhaltungsmusik für das Orchester der Roten Armee. Berühmtes Beispiel ist die sogenannte Jazzsuite Nr. 1, eher eine Folge von Standardtänzen wie Foxtrott und Walzer. Darin findet sich der Walzer Nr. 2, der auch dem breiten Publikum bestens bekannt ist, dank André Rieu und dank des Films "Eyes Wide Shut".
Unter den 15 Symphonien nimmt die Siebte eine besondere Stellung ein. Schostakowitsch komponierte sie 1941 unter dem Eindruck der Belagerung Leningrads. Ein Werk des sowjetischen Widerstands. Ihr folgte Ende November 1945 mit der Neunten Symphonie eine Symphonie der Befreiung. Aber wieder wird das Werk von Stalin missgedeutet: Sie ist ihm zu wenig monumental. Wieder wird Schostakowitsch verfolgt und sein Werk verbannt. Sein zehnjähriger Sohn Maxim, der später als Dirigent eine internationale Karriere machen wird, muss im Unterricht Pamphlete gegen den eigenen Vater verfassen.
In seiner Verzweiflung und aus Angst um seine Familie schreibt Schostakowitsch an Stalin und lobt seine Größe, doch komponiert er parallel dazu immer wieder Werke, die als Satiren auf Stalin verstanden werden können.
Ende der 1940er Jahre beginnt er mit der Komposition eines Violinkonzerts, das jedoch wegen des Vorwurfs des Formalismus erst 1955 mit David Oistrach zur Uraufführung kommt. Für Mstislav Rostropowitsch komponiert er ein Cellokonzert, für dessen Frau Galina Vishnevskaya zahlreiche Lieder.
Nach dem Tod Stalins findet Schostakowitsch in dem einsetzenden politischen Tauwetter die verdiente Anerkennung und kann auch internationalen Einladungen folgen. Am 9. August 1975 stirbt er in Moskau.
I: The Palace Square: Adagio aus der Symphonie Nr. 11 in G-Moll Op. 103 „The Year 1905“
(D.Schostakowitsch)
The Philadelphia Orchestra
Ltg. Mariss Jansons
EMI CLASSICS
II: Allegro aus der Symphonie Nr. 1 in F-Moll Op. 10
(D.Schostakowitsch)
Berliner Philharmoniker
Ltg. Mariss Jansons
EMI CLASSICS
Symphonie Nr. 2 in B Op. 14 „To October“
(D.Schostakowitsch)
Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
LtG. Mariss Jansons
EMI CLASSICS
IV: Allegro non troppo aus der Symphonie Nr. 5 in D-Moll Op. 47
(D.Schostakowitsch)
Werner Hink, Violine
Wiener Philharmoniker
Ltg. Mariss Jansons
EMI CLASSICS
1. Allegretto aus dem Quartett Nr. 4 D-Dur Op. 83
(D.Schostakowitsch)
Hagen Quartett
DGG
I. Allegretto aus der Symphonie Nr. 7
(D.Schostakowitsch)
St. Petersburg Philharmonic Orchestra
Ltg. Vladimir Ashkenazy
DECCA
VI. Waltz 2 aus der Jazzsuite Nr. 2 (Suite for Promenade Orchesta)
(D.Schostakowitsch)
Royal Concertgebouw Orchestra
Ltg. Riccardo Chailly
DECCA
Das Lied des Gegenplans Op. 33
(D.Schostakowitsch)
Royal Concertgebouw Orchestra
Ltg. Riccardo Chailly
DECCA
Prelude und Fugue Nr. 2 in A-Moll Op. 87
(D.Schostakowitsch)
Keith Jarrett, Klavier
ECM
Scherzo aus dem Konzert Nr. 1 in A-Moll Op. 77
(D.Schostakowitsch)
Andre Baranov, Violine
National Orchestra of Belgium
Ltg. Gilbert Varga
QEC
Hans Reul