Als Allee- oder Straßenbaum hat die gewöhnliche Rosskastanie einen festen Platz in der Gestaltung von Straßenzügen oder auch als mächtige Einzelexemplare in großen Gärten oder Parkanlagen. Die stattlichen weißen Blütenkerzen geben dem Baum gerade im Frühjahr eine Art aristokratische Würde. Die Ausbreitung des Baumes geschieht ausschließlich durch den Menschen und hat den alleinigen Zweck des Schattenspendens und der Zierde.
Seit einigen Jahren werden nun die bemerkenswerten Bäume bedroht. Ein kleiner Falter, der auch als Motte bezeichnet wird und sich seit mehr als 20 Jahren in ganz Europa ausgebreitet hat, schädigt die Rosskastanien. Der Kleinschmetterling von nur fünf Millimetern Größe, dessen noch winzigere Larven sich vom Blattwerk ernähren, ist ausschließlich auf weiß blühenden Roskastanien anzutreffen. Andere Züchtungsformen der Kastanie, im speziellen die verbreitete rot blühende Art, wird nicht geschädigt.
"Miniermotte"
Die Motte, auch als Miniermotte bezeichnet, hat ihren Namen durch die Fraßgänge der Larven, die sich in Form von Minen durch ein Blatt fressen und mitunter nur die Blattoberseite und Unterseite erhalten bleibt. Die Minengänge laufen bei sehr starkem Befall ineinander, so dass ein Blatt aus der Ferne betrachtet herbstlich braun erscheint. Der Baum reagiert bei einem fortgeschrittenen Befall mit einem spontanen Blattverlust.
Die Miniermotte ist geradezu ein Wunder an Fortpflanzungsleistung: Sie kann mit ihren drei Generationen innerhalb eines Jahres solche Zahlen erreichen, dass sich ganze Straßenzüge mit mächtigen uralten Kastanienbäumen vorzeitig entlauben und bereits im August die blattlosen Bäume winterlich erscheinen lassen.
Grundproblem bei der Massenvermehrung des Schädlings ist, dass die Motte in Europa keine auf sie spezialisierten Gegenspieler hat. Heimische Nützlinge, z.B. Erzwespen oder Schlupfwespen, erreichen einen Parasitierungsanteil von lediglich zehn Prozent oder noch weniger, was natürlich für eine wirksame Eindämmung einer explosionsartigen Massenvermehrung nicht ausreicht.
Interessanterweise haben Kohl- und Blaumeisen inzwischen zunehmend gelernt, die Larven und Puppen aus den Blättern zu picken. Eine Massenvermehrung verhindern sie jedoch nicht.
Schwierigkeiten bei der Bekämpfung
Die Bekämpfungsmöglichkeiten sind sehr eingeschränkt, da es sich in den meisten Fällen um große Bäume handelt, die häufig in dicht besiedelten Stadtgebieten eine Behandlung mittels Pflanzenschutzspritze unmöglich machen. Auch die wirksame Behandlung mit systemischen Insektiziden, die über eine Injektion der Stämme in den Baum gebracht werden, haben mittlerweile Nachteile. Diese Verfahren zeigen zwar gute Ergebnisse, jedoch reagiert die empfindliche Kastanie gegenüber Beschädigungen des Stammes sehr empfindlich. Außerdem kann jede Verletzung der Rinde dazu führen, dass Pilzen und Bakterien Tür und Tor geöffnet werden.
Auch die Ausbringung von biologischen Präparaten, die auf der Basis von Entwicklungshemmern eine gute Wirkung versprechen und nur gezielt den Schädling erfassen, stößt auf Schwierigkeiten. Allerdings ganze Straßenzüge damit zu besprühen, wäre technisch nur sehr schwer machbar und würde sicherlich bei der Bevölkerung auf Widerstand stoßen.
Eine Bekämpfung chemischer oder auch biologischer Art scheint für die nächste Zeit aussichtslos, jedoch besteht die Möglichkeit, durch die Entfernung des Falllaubes (das die Puppen beherbergt) die Ausbreitung des gefährlichen Schädlings zu reduzieren. Das Laub sollte jedoch nicht auf den häuslichen Kompost gelangen, da meist die abtötenden Temperaturen von mehr als 60 °C nicht erreicht werden. In einigen Gemeinden und Städten werden spezielle Aktionen angeboten, um das Laub über kommunale Kompostanlagen oder durch die Müllverbrennung zu entsorgen.
Zu dieser Problematik bietet sich als Alternative für den Hobbygärtner auch an, rot blühende Kastanien anzupflanzen, da eine kleinere Krone als die der weißen Art einem Garten eher gerecht wird und von der Kastanienminiermotte bislang gemieden wurde.
mit Gartenbauexperte Franz Beckers