Die Sagen und die Zauberkraft über die Mistel reichen weit zurück bis ins Mittelalter. Misteln waren auch schon in der Mythologie des Altertums bekannt und wurden von den gallischen Priestern, den Druiden, als Heilmittel und zu kultischen Handlungen benutzt. Der gebraute Zaubertrank des Druiden Miraculix, mit Bestandteilen der Mistel ist wohl einem jedem Leser der Asterix-Comics bekannt.
Wichtige Voraussetzung der geheimnisvollen Kräfte der Misteln war die Ernte der Zweige mit einer goldenen Sichel, wobei peinlich genau darauf geachtet wurde, dass die Mistelzweige mit einem weißen Tuch aufgefangen wurden und so nicht auf den Boden herunter fielen. Nur so verlieh der Trank den Galliern unglaubliche Kräfte zur Verteidigung gegen die Römer.
Auch noch weiter zurückblickend, bis zur germanischen und altgriechischen Mythologie, ranken sich zahlreiche Sagen und Zaubergeschichten um diese mysteriöse Pflanze.
Die Sache mit dem Kuss
Der Mistelzweig hat auch seinen festen Platz in der Tradition. Seit dem 18.Jahrhundert ist der "Kuss" unter dem Mistelzweig einer von vielen Weihnachtsbräuchen, die im englischsprachigen Raum beheimatet ist und von uns übernommen wurde.
Wenn sich ein Mann und eine Frau zufällig darunter trafen, konnte der obligatorische Kuss nicht mehr abgelehnt werden. Nach erfolgtem Kuss musste eine der Beeren vom Zweig abgepflückt werden. War der Zweig vollständig abgepflückt, bedeutete dies auch das Ende des "Kuss-Rituals".
Die Geschichte berichtet, dass auch als Symbol des Friedens sich Feinde unter dem Mistelzweig mit einem Friedenskuss versöhnten.
Verwendung als Heilpflanze
Die Mistel spielte schon bereits vor dem Mittelalter eine sehr große Rolle als Heilpflanze in vielen Bereichen. Allgewaltig scheint die Medizinalkraft der Mistel zu sein, denn die Heilkräfte der Natur sollten eine Wirkung bei Unpässlichkeiten bis hin zu schwersten Krankheiten haben.
Die neuesten Erkenntnisse in der Medizin beweisen sogar eine Wirksamkeit gegen die Menschengeißel, dem Krebs. Der Erfolg der herkömmlichen Krebstherapie kann dadurch in vielen Fällen verbessert und Nebenwirkungen der Chemotherapie gelindert werden.
Auch sind heute nach wie vor Präparate, die aus Misteln gewonnen wurden, in der modernen Medizin u.a. gegen Bluthochdruck, Herz-Kreislaufschwächen, Rheuma und im Bereich der Psychotherapie gebräuchlich.
Durch Vögel verbreitet
Wissenschaftlich betrachtet ist die Mistel (Viscum album) ein immergrüner Halbschmarotzer, der als sogenannter Halbparasit seinen Wirtspflanzen Wasser und Nährstoffe entzieht. Die grünen Blätter enthalten Chlorophyll (Blattgrün), das die Pflanzen zu einem eigenen Stoffwechsel (Photosynthese) befähigt.
Auch die Ausbreitung und Vermehrung der Pflanze ist ungewöhnlich. Die weißen Beeren, die im Herbst und Winter reifen, enthalten einen zähklebrigen Schleim, der dann am Schnabel bestimmter Vögel, hier ganz speziell der Misteldrossel, kleben bleibt und bei nächster Gelegenheit auf Zweigen von Bäumen abgestreift wird. Handelt es sich bei dem Baum um einen geeigneten Wirt, so entwickeln sich aus dem Samen Keimlinge, die im ersten Jahr im Verborgenen bleiben. Es werden Saugorgane gebildet, die bis in die Leitungsbahnen der Zweige eindringen.
In unseren Regionen werden vor allem Obstbäume, im speziellen der Apfelbaum, Pappeln, Kiefern und Tannen besiedelt.
Sehr langsames Wachstum
Nachdem die klebrigen Samen auf eine geeignete Wirtspflanze abgestreift wurden, beginnt ein sehr interessantes, jedoch auch sehr langsames Wachstum. Durchschnittlich braucht eine Mistelkugel mit einem Durchmesser von ca. 50 cm einen Zeitraum von 20 bis 25 Jahren. Es versteht sich, dass derartige Veteranen einen besonderen Schutz genießen. In vielen Ländern stehen Misteln unter Naturschutz.
Die Nutzung und der Handel zu kommerziellen Zwecken ist stark eingeschränkt oder verboten.
Andere Länder, andere Sitten
Die Mistel ist aber nicht nur im Weihnachtsbrauch und in der Medizin lebendig geblieben, sondern es besteht auch der Brauch der Neujahrsmistel, der in ganz Frankreich gepflegt wird. In der Silvesternacht tauscht man genau um Mitternacht, wenn das neue Jahr beginnt, unter Büscheln oder Kugeln von Misteln gute Wünsche aus.
Text und Bilder: Gartenbauexperte Franz Beckers