In ihrem dritten Buch hat die marokkanische Schriftstellerin Leïla Slimani ihre Familiengeschichte fiktional aufgearbeitet. Die Erzählung über das Leben ihrer Großeltern auf einer abgelegenen Farm in Marokko ist ein groß angelegtes Epos über Aufbruch, Ankommen und Entfremdung vor dem Hintergrund französischer Kolonialgeschichte und dem marokkanischen Unabhängigkeitskampf. Meisterhaft beschreibt die engagierte Feministin, die jetzt in Frankreich lebt, vor allem das Schicksal der Frauen der Familie Belhaj zwischen Anpassung und Rebellion in einer streng reglementierten autoritär-patriarchalen Gesellschaft.
Slimani ist in den vergangenen Jahren zur festen Größe in der französischen Literaturszene avanciert. Ihr überaus beklemmendes Buch „Chanson douce“ über ein mörderisches Kindermädchen wurde 2016 mit dem renommiertesten französischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt, ausgezeichnet und verkaufte sich auch hierzulande unter dem Titel „Dann schlaf auch du“ blendend. Zu solch höheren Weihen aufgestiegen, hatte Präsident Macron Slimani sogar das Amt der Kulturministerin angeboten, was diese jedoch ablehnte. Stattdessen ist sie nun offizielle Botschafterin für Frankophonie und arbeitet weiter als Schriftstellerin.
Die Familiengeschichte ist auf drei Teile angelegt. „Das Land der Anderen“ ist auch das Porträt einer unkonventionellen Liebe, die sich einem enormen gesellschaftlichen Druck ausgesetzt sieht. Kurz nach dem Krieg, in dem Amine der französischen Kolonialmacht als Offizier dient, lernt er im Elsass Mathilde kennen und lieben. Die junge Französin, getrieben von Verliebtheit, Enthusiasmus und immenser Abenteuerlust, folgt dem gut aussehenden Marokkaner in seine Heimat. Während Amine dort verbissen versucht, die vom Vater geerbte Farm auf spröder Erde in einen blühenden landwirtschaftlichen Betrieb zu verwandeln, leidet seine Frau unter der Abgeschiedenheit, den patriarchalischen Strukturen und zunehmender Entfremdung von ihrem Mann.
Was sie auch tut, Mathilde bewegt sich im „Land der Anderen“. Sie ist weder Teil der muslimisch-marokkanischen Gesellschaft, noch gehört sie zur versnobten französischen Siedlergemeinde, die sie aufgrund ihrer Ehe mit einem Araber verachtet. Und schon gar nicht ist Mathilde Teil der traditionellen Männergesellschaft. Dazu ist sie viel zu frei erzogen: „Sie weinte zu viel, sie lachte zu viel oder falsch“, konstatiert ihr Ehemann, der sich dafür schämt, dass Mathilde während eines gemeinsamen Kinobesuchs unablässig versucht ihn zu küssen. Als Amines kapriziöse jüngere Schwester Selma ihre eigenen Liebesvorstellungen selbstbewusst umsetzen will, wird sie von ihm mit harter Hand an ihren Platz zurückverwiesen.
Leïla Slimani erzählt diese Dramen weder anklagend noch sentimental, eher mit nüchtern dosierter Einfühlsamkeit. Obwohl heiß diskutierte Themen wie Rassismus, Kolonialismus und Feminismus eine zentrale Rolle spielen, sinkt „Das Land der Anderen“ nie zum platten Politroman ab. Dazu ist Slimani eine zu elegante Autorin. „Das Land der Anderen“ ist ein brillanter großer Familienroman, auf dessen Fortsetzung man gespannt sein darf.
Stimmen zum Buch:
„Ein entschiedenes Plädoyer für die Rechte von Frauen, für die Befreiung von sexuellen Tabus und einengenden Traditionen. Ein aufklärerisches Werk, kraftvoll erzählt. Ein wichtiger Roman.“ Dirk Fuhrig / WDR 3
„Ein Literaturereignis.“ Der Spiegel
„Ein Meisterwerk.“ Le Monde
„Eine spannende Familiensaga auf den Spuren ihrer Grpßeltern - ein neuer Höhepunkt in der Erfolgskarriere der Prix-Goncourt-Preisträgerin.“ Le Point
Hören Sie einen Auszug aus „Das Land der Anderen“, gelesen von Biggi Müller:
Autorin
Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani gilt als eine der wichtigsten literarischen Stimmen Frankreichs. Slimani, 1981 in Rabat geboren, wuchs sie in Marokko auf und studierte an der Pariser Eliteuniversität Sciences Po. Ihre Bücher sind internationale Bestseller. Für den Roman „Dann schlaf auch du“ wurde ihr der renommierte Prix Goncourt zuerkannt. „All das zu verlieren“, ebenfalls preisgekrönt, erscheint in 25 Ländern. In den Essaybänden „Sex und Lügen“ und „Warum so viel Hass?“ widmet Leïla Slimani sich dem Islam und dem Feminismus sowie dem zunehmenden Fanatismus. Sie lebt mit ihrer Familie in Paris.
Gewinnspiel
BRF1 verlost zwei Bücher.
Gewinnfrage: Wie heißt Mathildes Schwester?
Antwort: Irène
Gewinner sind Edgar aus Meyerode und Sylvie aus Kettenis.
Bitte beachten Sie auch unsere Datenschutzbestimmungen. Mit Ihrer Teilnahme am Gewinnspiel erklären Sie sich mit den BRF-Datenschutzbestimmungen einverstanden. Der BRF veröffentlicht den Vornamen und Wohnort des Gewinners/der Gewinner. Wenn Sie als Teilnehmer damit nicht einverstanden sind, teilen Sie uns dies bitte unter Nennung des Gewinnspiels per Mail an datenschutz@brf.be mit. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen!
Buchdetails
Leïla Slimani: Das Land der Anderen
Originaltitel: Le Pays Des Autres
Aus dem Französischen von Amelie Thoma
384 Seiten - 22,00 Euro
ISBN: 978-3-630-87646-7
neu erschienen im Luchterhand Verlag
Alle Bücher unseres BRF1-Buchtipps sind bei Logos und Thiemann erhältlich.
Buchtipp-Redakteurin: Biggi Müller
Biggi Müller