In der letzten Woche erst veröffentlicht und vor der Veröffentlichung in aller Munde. Die Schauspielerin und Buchautorin Pola Kinski schildert in "Kindermund" ihre Kindheit und Jugend bis ins junge Erwachsenenalter, berichtet von der gescheiterten Ehe ihrer Eltern, Gislint Kühlbeck und Klaus Kinski. Sie erzählt von ihrem Vater, der sich im Gegensatz zur Mutter für sie interessierte. Zu sehr. Die sexuellen Übergriffe begannen, als sie etwa sechs Jahre alt war.
"Ich friere, und zugleich ist mir heiß. Ich rieche die Angst, die aus meinen Poren drängt, und doch spüre ich mich nicht. Ich fasse nach der Glut der Zigarette, ich spüre sie nicht. Ich befinde mich in einer Kugel, sie ist durchsichtig. Eine Haut wie Seifenblase trennt mich vom Leben." Wie es war, die Tochter von Klaus Kinski zu sein: eine Kindheitserzählung, eine Abrechnung.
Buchdetails
Pola Kinski: Kindermund
Eine Autobiographie kein angenehmes Buch, aber ein wichtiges und lesenswertes.
Erschienen im Insel Verlag
ISBN 978-3-458-17571-1
Gebunden, 267 Seiten
19,95 Euro
Gewinner: Jean-Pierre Nelles aus Grüfflingen
Buchtippredakteurin: Biggi Müller
Autorenbild: Stephan Klüter
Selbst wenn es in diesem Fall unpopulär ist, darauf hinzuweisen: Auch für Tote gilt die Unschuldsvermutung, und die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist strafbar. So sieht es unser Rechtssystem (in der Theorie) vor - selbst für Beschuldigte, die in höchstem Maße unsympatisch sind. Dass die Praxis anders aussieht, zeigt das, was durch Pola Kinskis persönlichen Rachefeldzug losgetreten wurde. Klaus Kinski mag ein ungehobelter, narzistischer Egomane gewesen sein, bestimmt auch ein schlechter Vater - sympatisch war er sicher den Wenigsten. Das alles macht ihn aber noch nicht zum Kinderschänder.
Kindesmissbrauch ist ein unendlich scheußliches Verbrechen. Jemanden fälschlicherweise dieses Verbrechens zu beschuldigen ist jedoch nicht minder scheußlich. Bislang gibt es nichts als die unbewiesenen Anschuldigungen seiner hasserfüllten Tochter, und niemanden, der es wagen würde, diese Anschuldigungen auch nur ansatzweise zu hinterfragen. Dabei gibt es da jede Menge Widersprüchliches, das zu hinterfragen lohnenswert wäre, z.B.:
- bei all den Schmähungen und schrecklichen Dingen, die Klaus Kinski getan haben soll, ist es doch recht seltsam, dass alle drei Kinder für ihre angestrebte Schauspielerkarriere nicht etwa ihren bürgerlichen Namen (Nakszynski) oder einen eigenen Künstlernamen wählten, sondern den Künstlernamen des Vaters (Kinski) - wo der Vater von Nutzen war, wurde offensichtlich gerne auf ihn zurückgegriffen;
- wenn es Pola Kinski wirklich um das Thema Kindesmissbrauch geht (und nicht um die Sucht nach Aufmerksamkeit), warum hat sie weder die Mutter noch die Schwester noch sonst jemanden im Vorfeld mit ihren Erinnerungen konfrontiert? Warum ist diese Buch so eindimensional auf sie selbst zugeschnitten, will aber von ihr als einzig gültiges Bild ihres Vaters gesehen werden? Wer sich ihren Erinnerungen nicht anschließt, ist automatisch ein Lügner. Was aber, wenn die Mutter z.B. die Wahrheit sagt und Pola sich wirklich ihr damals nicht anvertraute - vielleicht weil es nichts zu erzählen gab;
- was meint Pola Kinski damit, dass ihr Vater jeden missbraucht hätte? Es hat sich bei aller Antipathie gegen den Vater bislang noch nicht ein einziges weiteres Missbrauchsopfer finden lassen, und das, obwohl der Vater doch angeblich doch so triebhaft abartig war, dass ihn nichts stoppen konnte;
Das sind nur drei von vielen Fragen, die sich geradezu aufdrängen, die aber in der pervertierten Freude am Zerfleischen eines unsympatischen Prominenten komplett ausgeblendet werden - gemeinsam mit jedem Gefühl von Rechtsempfinden und Moral. Das soll ja nicht heißen, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. Aber die absolute Ablehnung jeder Möglichkeit, hier etwas zu hinterfragen, hinterfässt den beklemmenden Eindruck, dass eine verbitterte, in Vergessenheit geratene alternde Ex-Schauspielerin wenige Monate nachdem ihre jüngere, ehemals sehr viel erfolgreichere Schwester in der Presse verkündet hat, ihr Comeback als Schauspielerin durch Schreiben eines Enthüllungsbuches über den umstrittenen Vater antreiben zu wollen, auf die Idee kam, die jüngere Schwester einmal im Leben auszustechen und an deren Stelle durch ein eher erscheinendes eigenes Buch mit so gräßlichen Anschuldigungen, wie sie die Schwester nicht wagen würde vorzubringen, einmal im Leben aus dem Schatten der Jüngeren heraustreten zu können.
Und noch ein kurzer Nachtrag zu Nastassja Kinski: Mit großer Geste versucht nun auch sie aus dieser Debatte ihren Teil an Aufmerksamkeit zu ziehen. Wohl gemerkt, es ist die gleiche Nastassja Kinski, die Ende der 70er Jahre mit Roman Polanski, dem überführten Vergewaltiger einer 13jährigen, der vor den gerichtlichen Konsequenzen seines bewiesenen und eingestandenen Verbrechens nach Europa geflohen war, ohne jegliches Mitgefühl für das Opfer den Film "Tess" drehte.
Dieses Buch ist weder lesenswert noch wichtig. Wichtig wäre es, echten Opfern unsere Hilfe und Unterstützung anzubieten und sie darin zu bestärken, ihre Peiniger zu konfrontieren und ihre Traumata aufzuarbeiten. Der Weg, Tote mutmaßliche Täter mit Dreck zu bewerfen, ist weder ratsam noch in irgend einer Weise vorbildhaft.
Ich beziehe mich auf die Frage die bei Facebook aufgeworfen wurde:
"Alles nur Gedmacherei?"
Unabhängig davon, ob dieses Buch lesenswert oder nicht ist, in diesem Zusammenhang von „Geldmacherei“ zu sprechen, wäre äußerst geschmacklos.
Ich kann nachvollziehen, daß ein Opfer Zeit braucht das Geschehene zu verarbeiten – auch wenn es Jahrzehnte sind.
Herr Kinski braucht sich nicht zu verteidigen, denn er hat ja zu Lebzeiten nie seine pädophile Neigung verleugnet. Man denke an sein Buch „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“.
Ein Buch, das so krass war, daß man es in seiner Originalausgabe vom Markt genommen hat.
Warum hat da keiner seine Person hinterfragt?
Gleiches gilt für seine öffentliche Aussage, daß es in anderen Kulturen ganz normal wäre eine 13-Jährige zur Frau zu nehmen, und die Deutschen doch alles nur Spießer seien.
Kinski braucht man nicht mehr anzuklagen.
Angeklagt sollen sich die fühlen, die heute noch leben und damals weggeschaut haben.