Der Kongo weckte in der europäischen Wahrnehmung schon immer maßloses Begehren. Der große Fluss und das üppige Land an seinen Ufern dienten einst als westliche Projektionsfläche für Abenteuer und Reichtum. Inzwischen wurde daraus das Klischee von Profitgier und Gewalt, von staatlichem Versagen und unendlichem Leid. Der Kongo, das ist eine traurige und blutige Geschichte. Nicht umsonst sprach Joseph Conrad vom Herz der Finsternis.
Wer dieses düstere Kapitel der Kolonialgeschichte und ihre Fortsetzung nach der Unabhängigkeit erkunden will, findet in David Van Reybroucks gut 800 Seiten umfassender Monografie zum Kongo eine ebenso faszinierende wie erschreckende Lektüre. Von der Aufteilung des afrikanischen Kontinents in den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts unter den europäischen Kolonialmächten bis hin zum heutigen Staatswesen beschreibt Van Reybrouck die fatale Einflussnahme der Weißen mit ihren gravierenden Folgen. Der Bogen spannt sich gleichermaßen wissenschaftlich fundiert und journalistisch aufbereitet vom Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II. weit über die Unabhängigkeitswirren und Mobutus Korruptionssystem bis in unsere Tage. Archivmaterial und Augenzeugenberichte kommen gleichermaßen zum Zuge. Dadurch werden die detaillierten Schilderungen sehr lebendig und authentisch.
Nach Adam Hochschilds „Schatten über dem Kongo“ eine weitere unverzichtbare Lektüre über das große Land in der Mitte Afrikas.
Für sein mehrfach preisgekröntes Buch hat David van Reybrouck zahlreiche Reisen in das zentralafrikanische Land unternommen, in dem er einzigartige Interviews führen konnte. Der Älteste, mit dem er sprach, wurde 1882 geboren. Seine Stimme und die vieler hundert anderer, Kindersoldaten und Rebellenführer, Politiker und Missionare, machen dieses Buch zu einer Sensation. Mit zahlreichen Augenzeugenberichten, bisher unbekannten Dokumenten aus Archiven und Van Reybroucks fundierter Kenntnis der Forschung stellt es einen Meilenstein auf dem Gebiet der Sachbuchliteratur dar.
„Die einstige Kolonie Kongo ist fern und doch so nah: David Van Reybroucks ebenso fundierte wie atemraubende Darstellung erhellt ein düsteres Kapitel belgischer Geschichte und erklärt manch aktuelle Verwerfung in Zentralafrika - eine Pflichtlektüre, die beschämt und sehr nachdenklich macht.“ Toni Wimmer, BRF-Direktor
Autor:
David Van Reybrouck, geboren 1971 in Brügge, ist einer der führenden Autoren seiner Generation. Er studierte Archäologie und Philosophie an den Universitäten Leuven und Cambridge und promovierte an der Universität Leiden. 2001 debütierte van Reybrouck mit „De Plaag“ (Die Pest) und erhielt dafür zahlreiche Auszeichnungen in Belgien und den Niederlanden. Für sein ebenfalls mehrfach preisgekröntes Buch „Kongo“ hat er sechs Jahre recherchiert und zahlreiche Reisen in das zentralafrikanische Land unternommen. Kongo wurde mehrmals aus dem niederländischen übersetzt und erschien in Norwegisch, Deutsch, Französisch, Schwedisch, Dänisch und Finnisch. Übersetzungen in Polnisch, Englisch und Chinesisch werden erwartet. David Van Reybrouck ist Gründer des Brüsseler Dichterkollektivs.
Frage: Wie nennen Ozeanographen die Verfärbung des Kongo im Atlantik?
Antwort: Kongofächer
Gewinnerin: Yvonne Haep aus Eupen
Buchdetails:
David van Reybrouck: Kongo - Eine Geschichte
Originaltitel: Congo. Een geschiedenis
aus dem Niederländischen von Waltraud Hüsmert
783 Seiten € 14,00
ISBN 978-3-518-46445-8
2012 erschienen im Suhrkamp Verlag
Alle Bücher unseres BRF1-Buchtipps sind bei Logos und Thiemann erhältlich. Buchtipp-Redakteurin: Biggi Müller
Bild: Suhrkamp Verlag / Stephan Vanfleteren