"How Have You Been?" erschien am 2. Februar und verspricht mit unverkennbarem Rooks-Sound, eingängigen Melodien, geschliffenen Texten und komplexem Songwriting eine Fülle an großen, aber auch intimen Pop-Momenten.
"How Have You Been?", fragt die Band aus dem sonst nur für Zugteilungen bekannten nordrhein-westfälischen Hamm. Aber die Frage ließe sich auch andersherum stellen: Wie ist es euch so ergangen, Giant Rooks? Seit dem ersten Album ist um die Band aus Sänger Frederik Rabe, Gitarrist Finn Schwieters, Bassist Luca Göttner, Keyboarder Jonathan Wischniowski und Drummer Finn Thomas einiges passiert - wobei das eine charmante Untertreibung ist. "Rookery" erreichte 2020 Platz 3 der Albumcharts und über 200 Millionen Streams, wurde mit Preisen und ausverkauften Touren auf der ganzen Welt gekrönt. Dann wurde es ruhiger. "Nach dem Erfolg des Debüts waren wir erstmal ziemlich sprachlos", erzählt Sänger und Songwriter Frederik Rabe in Erinnerung an diese Zeit. Die Band konzentrierte sich auf ihre Live-Shows und fand nach zwei Jahren unterwegs langsam wieder zurück ins gemeinsame Schreiben. "Wir waren dann fast überrascht, wie schnell und gut wir wieder zusammenarbeiten konnten und neue Songs entstanden sind", so Rabe.
Mit "How Have You Been?" bündeln Giant Rooks nun also die Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre in 14 Songs. Ein mit 46 Minuten Spieldauer wirklich langes Album zu veröffentlichen könnte im Jahr 2024 fast nostalgisch wirken. Bei den Giant Rooks ist es einfach Teil ihrer Identität als unabhängige Musiker. Die Fünf scheinen wie ein Felsen in der deutschen Musiklandschaft, die aufgewühlter und schnelllebiger ist als je zuvor. Trotz viralem Tiktok-Hit und entgegen dem gegenwärtigen Trend, immer kürzere, unterkomplexe Songs zu releasen, bleiben sie ihrem klassischen, eleganten Songwriting treu und konzentrieren sich auf textliche Tiefe, verfeinerte Arrangements und der Manifestierung des unverwechselbaren Rooks-Sounds, der live genauso funktioniert wie im Studio.
Große Live-Stärke
Der Opener "For You" zeigt, wohin die Reise geht. Frederik Rabes Stimmgröße kommt hier voll zum Tragen. Der Song spannt sich auf wie ein Segel und gibt die Richtung vor, kraftvoll und melancholisch. Besonders die große Live-Stärke der Giant Rooks ist mittlerweile weithin bekannt. National wie international schwärmt das Publikum von der Spielfreude und ansteckenden Energie der Band, die zuletzt 2023 zum dritten Mal auf US-Tour waren. Ihre vierte und bislang größte Soloshow in New York ist übrigens bereits ausverkauft, genauso wie die ersten Konzerte ihrer Tour für 2024. Aber gute Nachrichten: In New York und Köln wird es Zusatzshows geben. "Die Live-Versionen haben wir bei diesem Album von Anfang an mitgedacht", sagt Gitarrist Finn Schwieters. Fans und Kritiker dürfen sich also auf eine noch ausgereiftere Konzertperformance zur Albumtour freuen.
Zum Beispiel zu "Somebody Like You", dem tanzbaren Pophit, der bereits im August 2023 als eine der Singles erschienen ist. Der Song, der nach Angaben der Band in nur wenigen Stunden gemeinsamen Writings im Studio entstanden ist, war auch eine neue Erfahrung für sie. "Textlich wollten wir das Songwriting in Form von verschiedenen Geschichten über unterschiedliche Charaktere aufbauen. Etwas, das wir zuvor noch nie gemacht haben", sagen die Giant Rooks und singen in der Hook "I let my guard down for the moment/ Wherever you go, I’ll be going too/ I’ve been waiting for somebody like you". Ein neues Level im Songwriting freischalten und im Chorus wie gewohnt alle um den Finger wickeln gelingt ihnen hiermit jedenfalls bravourös.
Wo in der ersten Hälfte des Albums mit Songs wie "Pink Skies" und "Under Your Wings" eine Leichtigkeit den Sound dominiert, wird spätestens ab "Nobody Likes Hospitals" klar, dass auch im Universum der Giant Rooks der Himmel nicht immer nur rosafarben ist. In "Fight Club" einem ungekämmten Antisong, lehnen sich die Giant Rooks auf gegen das Funktionierenmüssen, gegen das Verdrängen und Verschlucken von Gefühlen: "I’ve been taught to swallow my pain/ Instead of talking I’ve poisoned my brainé . Es klingt wie eine längst überfällige Befreiung, besonders in einer Industrie, die zuweilen uneingeschränkte Selbstüberforderung von jenen einfordert, die sie eigentlich davor bewahren sollte. "Ich selbst lerne aber immer besser, entspannter zu werden, das ist eine schöne Erfahrung", sagt Fred Rabe.
Mit "Flashlights" und der Single aus 2022, "Morning Blue", sind auf "How Have You Been?" auch Giant Rooks-Hits vertreten, die beweisen, wie gut und langfristig der Sound und das Songwriting dieser Band funktioniert - klar, zeitlos und eingängig. Wenig überraschend hat das antreibende "Morning Blue" schon längst Streams im zweistelligen Millionenbereich. Aber die Giant Rooks wären nicht die Giant Rooks, wenn nach dem blau verhangenen Morgen nicht auch wieder ein funkelnder neuer Tag käme. "Brave New World" hebt sich mit seinen leichten, flirrenden Gitarren allein schon klanglich vom Rest der Songs ab und schraubt sich im zweiten Teil auf zu einer krautigen Weltuntergangshymne. "Wir haben uns während der Aufnahmen in Köln mit Produzent Jochen Naaf viel mit der Krautrockband Can beschäftigt, so kam die Idee für diesen Part", erzählt Fred Rabe. Und wenn er "The system needs to burn down to ashes/ Just sit back and enjoy the ride/ We’re on the borderline of a brand new time" singt, will man sich eigentlich sofort selbst auf den Beifahrersitz schwingen und die Hand aus dem Fenster halten, während draußen die alte Welt brennend untergeht.
Nach diesem Aufbruch kehren die Giant Rooks zurück in die Realität. Das nachdenkliche "Bedroom Exile", erschienen im Frühjahr 2023, setzt im letzten Drittel der Platte noch einmal einen intimen Moment. Giant Rooks, die in ihrer Bandgeschichte bereits unzählige Erfolge und Superlativen erreicht haben, in Nordamerika und Großbritannien genauso gefeiert werden wie in deutschen Groß- und Kleinstädten, werfen einen Blick auf die Kehrseite dieser steilen Karriere. Und besonders auf die stillen, isolierten Momente im eigenen Schlafzimmer, wenn nichts mehr geht und niemand da ist, der die inneren Tumulte nachvollziehen kann. Immerhin: Der klare Beat und ein entschiedenes Piano in diesem Track bieten ein wenig Halt. Und überhaupt: "How Have You Been?", der Titeltrack und zugleich Closing Track des Albums, entlässt die Hörer*innen eingehüllt und ausgeglichen. Nach der kurvenreichen Fahrt durch 13 Songs verabschieden sich die Giant Rooks mit einer kurzen, sanften Ballade, inklusive Chor, Gitarrensolo und lange nachhallendem Schlussakkord. Was für ein Mic-Drop.
"How Have You Been?"ist eine introspektive Bestandsaufnahme, ein ehrliches Bilderbuch dessen, was die Giant Rooks ausmacht. Und wie schon bei "Rookery" bleibt auch hier das Gefühl zurück, dass das noch längst nicht alles war.
UMD/ IRRSINN Tonträger